GASPREISE: Schlussabrechnung mit der swb
Jahrelang verlangte die swb zu viel für ihr Gas. Hunderte klagen sich ihr Geld jetzt vor Gericht zurück. Viele Tausend könnten noch folgen, sagt die Verbraucherzentrale.
Im Saal 123 im Bremer Amtsgericht herrscht Hochbetrieb wie alle 14 Tage. Morgens um neun Uhr tritt der erste Kläger ein, bis Mittags folgen ein Dutzend weitere. Donnerstag ist der Sitzungstag von Amtsrichter Heinrich Auffarth, und jede zweite Woche verhandelt er dieselben Klagen: Gaskunden der SWB, die zu viel gezahltes Geld zurückfordern. Seit Monaten geht das schon so, und Weihnachten wird es noch lange nicht zu Ende sein. An SWB-Tagen schließt Auffarth Vergleiche im Viertelstundentakt.
Es ist die Schlussabrechnung im Bremer Gaspreisstreit. Im September 2004 hatte die Bremer Verbraucherzentrale zum Widerspruch gegen die Preiserhöhungen der SWB aufgerufen. Zehntausende unterschrieben. Das Bremer Landgericht erklärte die Preisanpassungsklausel der SWB für nichtig. Vor einem Jahr bestätigte der Bundesgerichtshof das Urteil: Die Gaspreiserhöhungen der SWB von Oktober 2004 bis November 2009 waren unzulässig.
"Das Grundproblem in den Verfahren ist immer dasselbe", sagt Auffarth. Zu prüfen sind nur noch Details: Für welchen Zeitraum sind die Forderungen berechtigt? Welcher Gaspreis ist zugrunde zu legen? Wie viel Geld hat der Kunde schon eigenmächtig einbehalten? An die 100 Verfahren hat Auffahrt bereits verhandelt, alle endeten sie mit einem Vergleich, in jedem Fall verzichtete die SWB auf den größten Teil ihrer ursprünglichen Forderungen. Nachzahlen musste nur, wer seine Abschlagszahlungen zu drastisch gekürzt hatte.
Nach Angaben der SWB haben in den vergangenen Jahren 4.000 KundInnen weniger Geld überwiesen als gefordert. In 3.000 Fällen habe man sich inzwischen außergerichtlich geeinigt, sagt Sprecherin Angela Dittmer.
Andrea B. gehörte nicht dazu. 760 Euro hatte sie im Laufe der Jahre vorsorglich einbehalten, weitere 325 Euro forderte sie schließlich zurück. Die SWB schrieb ihr, dass "sich aus den bisherigen BGH-Urteilen keine Rückzahlungsansprüche ergeben", und bot lediglich an, beide Forderungen gegeneinander aufzuheben. "Daraufhin habe ich geklagt", sagt B. Einen Anwalt benötigte sie nicht: Die vorformulierte Klageschrift entnahm sie der Internetseite der Verbraucherzentrale. 9,5 Minuten dauerte die Verhandlung gestern, Ergebnis: Die SWB verzichtete auf ihre Forderung und stimmte einer Rückzahlung von weiteren 295 Euro sowie der Übernahme der Gerichtskosten zu.
Verbraucherzentralen-Anwalt Lovis Wambach spricht von mehreren Tausend aktuellen oder ehemaligen SWB-KundInnen, die noch klagen könnten: Alle, die in den letzten Jahren Gas nach den SWB-Tarifen "Basis" oder "Plus" bezogen haben. Seit einem weiteren BGH-Urteil von Juli sei zudem klar, dass eine Klage auch ohne vorherigen Widerspruch möglich ist. Allzu viel Zeit sollten sich Klagewillige aber nicht mehr lassen: Forderungen, die Schlussabrechnungen aus 2006 betreffen, sind bereits verjährt. Ab dem 1. 1. 2011 gilt selbiges auch für die Schlussrechnungen aus 2007 - es sei denn, die SWB hat einen Verjährungsverzicht eingeräumt.
Eine freiwillige Rückzahlung an alle KundInnen schloss SWB-Sprecherin Dittmer gestern aus. Die Preisanpassungsklausel sei zwar unzulässig, die Preisforderung an sich nichtsdestotrotz berechtigt gewesen - schließlich habe die SWB tatsächlich mehr für den Gaseinkauf bezahlt.
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