GAL-Justizsenator Till Steffen: "Konflikte im Gespräch lösen"
Eine neue Dialogkultur zur Klärung gesellschaftlicher Probleme fordert GAL-Justizsenator Till Steffen im taz-Interview. Vorbild ist die Gängeviertel-Debatte.
taz: Herr Steffen, gibt es mehr und schlimmere linksextremistische Straf- und Gewalttaten als früher?
Till Steffen: Die Bereitschaft zu riskieren, dass Menschen verletzt werden, ist bei einzelnen Taten, die dem linksextremistischen Bereich zugeordnet werden, gestiegen. Wenn jemand ein Auto anzündet oder mit Brandsätzen eine Polizeiwache angreift wie im Dezember im Schanzenviertel, ist die Gefahr enorm, dass jemand dabei schwer geschädigt wird. Diese Entwicklung macht mir Sorgen.
Konservative Politiker fordern, Mittel aus der Bekämpfung rechtsradikaler Gewalt umzuwidmen, um verstärkt linke Gewalt zu bekämpfen.
Die Gleichsetzung von links- und rechtsextremistischer Gewalt ist gefährlich und hindert uns daran, richtig zu handeln. Rechtsextremismus richtet sich typischerweise gegen gesellschaftliche Gruppen, Linksextremismus eher gegen den Staat als Institution. Das sind unterschiedliche Ansatzpunkte. Schon deshalb macht es keinen Sinn, links und rechts in einen Topf zu werfen und die Gelder in Konkurrenz zu einander zu verhandeln.
Gewalt bleibt aber Gewalt - unabhängig von ihrer ideologischen Ausrichtung.
Wer eine Straftat begeht, muss mit Strafverfolgung rechnen - egal, ob die Straftat von Rechten oder Linken begangen wird. In Hamburg werden deutlich mehr Menschen durch rechte Gewalt verletzt als durch linke. Deswegen wäre es fatal, Mittel für Programme, die sich gezielt gegen Rechtsextremismus wenden, abzuziehen. Es darf nicht dazu kommen, dass Rechte in Hamburg präsenter werden. Dem gilt es frühzeitig entgegenzuwirken.
Der Rechtsanwalt war von 2004 bis 2008 GAL-Abgeordneter in der Hamburger Bürgerschaft und ist seit 7. Mai 2008 Justizsenator. Der passionierte Alltagsradler ist verheiratet mit der ehemaligen GAL-Abgeordneten Heike Opitz und wird voraussichtlich Mitte April zum zweiten Mal Vater.
Mit welchen Strategien?
Beim Rechtsextremismus haben wir ein sehr detailliertes Programm. Wir wollen - etwa mit unseren mobilen Beratungsteams - diejenigen stärken, die sich in der Schule oder im Jugendzentrum von Rechten eingeengt sehen und dem entgegentreten. Wo sich Rechtsextremisten breitmachen, sollen sie isoliert werden, damit sie nirgends die Lufthoheit bekommen.
Wie wollen Sie das erreichen?
Wir entwickeln derzeit ein Landesprogramm gegen Rechtsextremismus, das unterschiedliche Akteure miteinander vernetzt. Dazu gehören repressive Institutionen wie Polizei, Verfassungsschutz und Justiz, aber auch Institutionen aus Bereichen wie Bildung oder Jugendarbeit. Demokratieerziehung, die so totalitären Vorstellungen entgegenwirkt, ist in diesem Zusammenhang das zentrale Stichwort.
Als Reaktion auf Gewalt von links fiel CDU-Innensenator Christoph Ahlhaus bislang vor allem der Ruf nach härteren Strafen ein für diejenigen, die Leib und Leben von Polizeibeamten gefährden.
Das Strafgesetzbuch sieht etwa beim Werfen von Feuerwerkskörpern oder Steinen auf Polizisten, also einer gefährlichen Körperverletzung, bereits hohe Strafen von bis zu zehn Jahren Freiheitsentzug vor. Ein solches Strafmaß ist nicht zu wenig an Abschreckung.
Wie wollen Sie Gewalt von links im Vorfeld bekämpfen?
Es gibt Gewalt von links, an die wir nicht rankommen und wo am Ende nur Repression hilft. Es gibt aber auch viele gesellschaftliche Konflikte, auf die sich diejenigen, die solche Gewalt ausüben, beziehen. An der Lösung dieser Konflikte zu arbeiten ist das Sinnvollste, was Politik hier leisten kann.
Konkret heißt das was?
Wenn gesellschaftliche Gruppen auf Probleme aufmerksam machen und mit nachvollziehbaren Forderungen an die Politik herantreten, muss diese sich der Themen annehmen und die dahinterstehenden Anliegen aufgreifen. Ein Beispiel, wie das gelingen kann, ist das Gängeviertel. Die Kritik, dass es bislang zu wenig Aufmerksamkeit für dieses Stück von Stadtgeschichte gegeben hat, war im Kern berechtigt. Wir als Politik haben das Dialogangebot der Aktivisten angenommen, sind in das Gespräch gekommen und nun dabei, eine Lösung zu entwickeln, die auf große gesellschaftliche Zustimmung stößt. So muss man Konflikte lösen.
Dafür musste die Politik aber über Straftaten, hier Hausfriedensbruch, hinwegsehen.
Hausfriedensbruch ist ein Delikt, das nur verfolgt wird, wenn der Geschädigte Anzeige erstattet. Das ist hier glücklicherweise nicht geschehen, denn die Chance zum Dialog zu nutzen ist allemal besser als die alte Devise: Anzeige, Räumung, Polizeieinsatz, Strafverfahren.
Also Dialog geht vor Strafverfolgung?
In diesem Fall eindeutig ja. Das lässt sich aber nicht auf jeden Konflikt übertragen, weil immer viele Akteure im Spiel sind, die bereit sein müssen, sich auf diesen Dialog einzulassen.
So wird die Politik etwa Probleme haben, einen Dialog über Gentrifizierung mit Menschen hinzubekommen, die den Staat als Urheber dieser Entwicklung und damit als Gegenspieler begreifen.
Eine solche Schwarz-Weiß-Malerei ist in der politischen Auseinandersetzung zulässig, aber deshalb noch lange nicht zutreffend. So sind die Problem- und Interessenlagen im Bündnis "Recht auf Stadt" sehr vielfältig. Bei jedem Gentrifizierungsprozess spielen diverse staatliche und nicht-staatliche Faktoren eine Rolle. Da muss man genau über die einzelnen staatlichen Handlungsmöglichkeiten debattieren, aber auch die Grenzen staatlichen Handelns im Blick behalten. Auch die andere Seite muss bereit sein, sich auf Sachzwangdebatten einzulassen. Je mehr sie das tut, umso größere Teilhabe kann es geben.
Gerade den Dialog mit der radikalen Linken führt der schwarz-grüne Senat, behauptet SPD-Innenexperte Andreas Dressel, aber kaum. Bestes Beispiel: Die Sprachlosigkeit im Vorfeld der Schanzenfeste.
Vielleicht hat Herr Dressel da etwas nicht mitbekommen, weil der Dialog zwar stattfand, aber nicht in der Zeitung. Wenn Menschen friedlich feiern wollen, muss das möglich sein, und es ist ja auch gut geglückt, das Fest ohne alle üblichen Genehmigungen stattfinden zu lassen.
Auseinandersetzungen gab es dennoch.
Es kam nicht anschließend zu Gewalt, weil es einen pragmatischen Umgang mit dem Schanzenfest gibt, sondern der pragmatische Umgang führt dazu, dass ganz viel Aggression erst gar nicht entsteht. Die Versuche derjenigen, die auf Gewalt aus sind, wirkten deshalb eher verkrampft, weil sie den Konflikt suchen mussten. Auch das gesellschaftliche und politische Echo auf das Manifest "Not in our name" zeigt, dass es möglich ist, mit Kritik an den herrschenden Verhältnissen in dieser Stadt durchzudringen und gehört zu werden. Auch das belegt, dass ein Dialog stattfindet, besser sogar als in früheren Zeiten.
Sehen Sie das als ein Verdienst der GAL?
Es ist ein Ausdruck dafür, dass die schwarz-grüne Koalition eine große gesellschaftliche Spannbreite abbildet. Die Positionen, die in der Stadt miteinander in Diskussion gesetzt werden müssen, spiegeln sich eben auch in diesem Senat.
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