G8: Mangelnde Kontrolle nach Einsatz
Der Datenschutzbeauftragte von Mecklenburg-Vorpommern prangert die fehlende Überprüfbarkeit der Polizeieinsätze während des G-8-Gipfels an.
Hunderte Menschen hat die Polizei während des G-8-Gipfels durchsucht, Personalausweise kontrolliert, Kofferräume inspiziert. Heute zeugen davon nur noch Löschprotokolle, die Da- ten selbst wurden kurz nach dem Treffen in Heiligendamm vernichtet. "Rechtsstaatliche Kontrolle ist so nicht möglich", sagt Gabriel Schulz, stellvertretender Landesdatenschutzbeauftragter von Mecklenburg-Vorpommern.
Am Montag haben die Datenschützer dem Schweriner Landtag einen Prüfbericht zum G-8-Polizeieinsatz vorgelegt. Darin prangern sie die fehlende Überprüfbarkeit der polizeilichen Maßnahmen an. "Besonders gravierend ist der rechtsstaatliche Mangel bei den mehrtägigen Observationen von möglichen Straftätern und deren Verbindungspersonen", sagte der Landesdatenschutzbeauftragte Karsten Neumann. "Wir wissen weder, von wem Daten aufgenommen wurden, noch welche, noch warum Person X überhaupt überprüft wurde", sagte Neumanns Stellvertreter Schulz. Prinzipiell sei es zu begrüßen, wenn Daten gelöscht werden und die Polizei nicht Jahre später auf sie zurückgreifen könne. Allerdings erfahre so niemand, dass er überhaupt im Fokus der Ordnungshüter stand. "Wären die Daten nicht so rasch gelöscht worden, hätten sie uns und den Betroffenen als Kontrollmöglichkeit dienen können", monierte Schulz.
"Verfassungsrechtlich extrem bedenklich" sei zudem die Tatsache, dass die Polizei bestimmte Orte als "besonders gefährdet" deklarieren kann. In der Umgebung dieser Orte kann die Polizei jeden überprüfen, im Extremfall sogar festnehmen. Welche Stellen in diese Kategorie fallen, liegt einzig im Ermessen der Beamten. "Die Anzahl dieser Orte war beim G-8-Gipfel viel zu hoch", kritisierte Schulz.
Die Datenschützer fordern, das bestehende Gesetz, das die Polizeieinsätze regelt, zu ändern. "Die Kriterien für diese 'besonders gefährdeten Orte' müssen konkretisiert und die Datenspeicherung geregelt werden", fordert Schulz. Überhaupt müssten Aktionen der Polizei nachvollziehbar sein, Situationen der reinen Interpretationsmöglichkeit der Beamten entzogen werden. Nun sei es am Landtag, seiner Aufsichtspflicht nachzukommen.
"Unsere Fraktion hatte sowieso vor, das Gesetz zu überprüfen", sagte Peter Ritter, Innenexperte und Parteichef der Linken. Seine Landtagsfraktion und die der FPD wollen aber erst den Abschlussbericht zum G-8-Gipfel von Innenminister Lorenz Caffier abwarten. Der soll am 4. Oktober vorgestellt werden. Beide Parteien verlangen auch weiterhin Aufklärung zum Einsatz von Bundeswehr-Tornados während des G-8-Gipfels. Fünf von insgesamt sieben Flügen sind ohne die Genehmigung durch Landesinnenminister Lorenz Caffier (CDU) von der Polizeisondereinheit Kavala eigenmächtig angefordert worden. "Es ist ein Unding, dass man per Handy Tornados ordern kann", sagte Ritter. Hier herrsche erheblicher Aufklärungsbedarf. Den sieht auch FDP-Innenexperte Gino Leonhard. "Offensichtlich hat der Innenminister in diesem Punkt der Polizeieinheit freie Hand gelassen. Das kann nicht sein."
Ob es einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu den G-8-Ereignissen geben wird, wird sich dennoch erst nach dem 4. Oktober zeigen. Denkbar wäre es. "In diesem Punkt sind FDP und PDS nicht so weit auseinander", sagte Leonhard.
Nach dem G-8-Gipfel hatte die Grünen-Bundestagsfraktion ein Gutachten in Auftrag gegeben. Darin soll überprüfen werden, ob der Bundeswehreinsatz in Heiligendamm verfassungsmäßig war. Das Gutachten wird heute vorgestellt.
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