G-8-Gipfel in Japan: Protestlos auf der Insel-Festung
Beim Treffen der G-8-Regierungschefs Anfang Juli auf der Insel Hokkaido ist wenig Protest zu erwarten - der Zustand der japanischen Linken ist desolat.
TOKIO taz Das Windsor-Hotel Toyako liegt wie eine Festung auf einer Insel im Kratersee eines erloschenen Vulkans. Im Hintergrund vermitteln schneebedeckte Berge, die reizvolle Kleinstadt Toya und dahinter der Pazifik die für Hokkaido typische Postkartenromantik. Japans dünn besiedelte Nordinsel liegt abseits aller Verkehrsströme. Mit der zunehmenden Landflucht reduziert sich die größte Präfektur des Landes immer mehr zum touristischen Fluchtpunkt für gestresste Großstädter.
Das Hotel entstand im Gigantismus der japanischen Seifenblasen-Wirtschaft Anfang der 90er Jahre, und ging mit dem Platzen der Blase bankrott. Später erwarb Japans größte Effektenfirma den Komplex zu einem Fünftel der Baukosten, doch die 400 Zimmer können nur mit Mühe ausgelastet werden. "Für uns ist der G-8-Gipfel eine Gott gegebene Chance", sagt Tetsuo Kobayama, der Präsident von Windsor Hotels. Vom 7. bis 9. Juli treffen sich dort die Regierungschefs der sieben größten Volkswirtschaften plus Russland zu ihrem jährlichen G-8-Gipfel.
Der Klimawandel und verbindliche Emissionsquoten werden besonders im Fokus stehen. "Es ist geradezu grotesk, dass ein solcher Umweltgipfel in einem Hotelkomplex stattfindet, der unberührte Natur derart nachhaltig verunstaltet", meint Kenichiro Sato von der Hokkaido Gesellschaft für Naturschutz.
Doch aus Sicherheitsperspektive lässt sich wohl kaum ein geeigneterer Ort finden. Die Festung Heiligendamm ist noch in lebhafter Erinnerung. Dieses Jahr werden die Demonstranten aus aller Welt noch weniger Gelegenheit bekommen, für ihre Ziele zu werben. Das liegt nicht nur an den natürlichen Gegebenheiten, sondern vor allem an der beklagenswerten Verfassung der japanischen Linken.
Yoko Akimoto von Attac Japan rechnet mit nicht mehr als Tausend Demonstranten aus Japan: "Trotz horrender Preise und großer Entferung werden Europäer und Amerikaner wohl in der Mehrzahl sein. Mit insgesamt 3.000 bis 5.000 Demonstranten wären wir sehr glücklich."
Japans Linke hat sich mit dem Niedergang des real existierenden Sozialismus fast vollständig aufgelöst. Graswurzelbewegungen orientieren sich an einzelnen, meist lokalen Kontroversen und haben kaum Rückhalt in der Parteipolitik. Japans Kommunisten genießen die Narrenfreiheit von Aussätzigen. Verbohrt in der Logik des Klassenkampfes sind sie unfähig zu programmatischer Erneuerung.
Im Unterschied dazu führte die politische Flexibilität der Ex-Sozialisten und heutigen Sozialdemokraten zu ihrem beispiellosen Niedergang - innerhalb von zehn Jahren von der Partei des Premierministers hinunter in die Zwei-Prozent-Nische. Die Stimmen linker Wähler wurden fast vollständig von der neuen Demokratischen Partei absorbiert. Die unterscheidet sich weder in ihrer Kultur noch Programmatik wesentlich von den erzkonservativen Liberaldemokraten - der "ewigen" Regierungspartei Japans.
"Im Rahmen der Proteste planen wir Workshops und Seminare. Die zentrale Kundgebung findet in Sapporo etwa Hundert Kilometer vom Tagungsort entfernt statt", sagt Akimoto. Geht es nach Japans Protestgruppen, beschränkt sich Gipfelkritik auf diese angemeldeten Aktionen. "Wir sind gegen jedwede Form auch passiven Widerstands", so Akimoto. Dies erkläre sich nicht mit der Japan oft unterstellten Harmoniegesellschaft, sondern mit den rigiden Sicherheitsvorkehrungen und weit reichenden polizeilichen Befugnissen. "Mit dem bloßen Verweis auf eine etwaige Terrorgefahr lässt sich bei uns fast alles durchsetzen. Die Besucher aus Übersee sollten sich nicht auf gewohnte westliche Rechtsstandards verlassen", sagt Akimoto.
Innerhalb des 50 Kilometer breiten Sicherheitsrings aufgegriffene "Störer" können mehr als drei Wochen lang nahezu willkürlich eingesperrt werden. Da gelte es, die Gäste vor sich selbst zu schützen. "Japan ist noch weit entfernt von einem demokratischen Grundverständnis. Das betrifft auch die Sicherheitsbehörden. Die sind fantasievolle Protestaktionen nicht gewohnt. Die Gefahr von Überreaktionen ist groß", so Akimoto. Von der Polizei war trotz intensiver Bemühungen keine Stellungnahme zu bekommen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!