: Futuristische Maskerade
SOUNDTRACK Die französischen House-Produzenten Daft Punk verstecken sich immer noch hinter Roboterhelmen. Das passt fast zu gut zu ihrer Musik für den Science-Fiction-Film „Tron Legacy“
Im Universum des Pop gilt eine Regel seit Bestehen: Sobald sich jemand eine Maske aufsetzt, will man wissen, wer sich dahinter verbirgt. Bei Batman war das so, bei Darth Vader auch. Diese Mystik der Anonymität, das Geheimnisvolle, möchte man irgendwie entschlüsseln. Und damit nimmt man nicht etwa die Musik anders wahr, sondern den Künstler. Wer steckt hinter dieser Maske, fragt man sich und löst damit letztlich selbst einen Hype aus.
Mit Hypes ist es im Pop ja bekanntlich so, dass sie nur von kurzer Dauer sind. Nicht so die Maskerade, sie scheint regelmäßig für Faszination zu sorgen: Erst waren es The Residents, dann gab es Detroits Techno-Kollektiv Underground Resistance sowie die HipHopper MF Doom und Sido, später den mittlerweile normalisierten Dubstep-Produzenten Burial, gefolgt von seinem Kollegen Sbtrkt – und schließlich sind da die bizarr-schleierhaften Inszenierungen einer Lady Gaga.
Und natürlich reihen sich hier auch Thomas Bangalter und Guy-Manuel de Homem-Christo mit ein, die sich bei ihren Auftritten stets unter eigens konstruierten Helmen verstecken und sich damit als futuristische Elektro-Roboter in Szene setzen. Vor allem die Alben „Homework“ und „Discovery“ lieferten zwischen den glitzernden Clubwelten von Paris, New York und Tokio ein Abbild moderner Tanzmusik.
Mit ihrer Maskerade, Audiofiltern und einer äußerst nervösen Snaredrum hatten sie diese zur grellen Erlebniswelt hochstilisiert, mit genial verwandelten Samples und erfolgreichem Selbst-Management aber auch nie den Boden unter den Füßen verloren. All das machte die beiden Franzosen, ob sie es nun wollen oder nicht, zu Popstars. Daft Punks neues Album, ein gemeinsam mit einem Orchester eingespielter Soundtrack zum Film „Tron Legacy“, belebt die Pop-Mystik nun auf neue Weise.
Daft Punk und ein 90-köpfiges klassisches Orchester – abgesehen von der Auskopplung „Derezzed“ erinnert das kaum noch an die aufgeladene Dancefloor-Effekthascherei der letzten Alben. In Kombination mit dem Orchester klingen die sonst so übersteuerten Synthesizer erstaunlich zurückhaltend, eher gedämpft und atmosphärisch begleiten sie die Stimmung. Man hört Streicher und Pauken, die sich langsam aufbauen und mit elektronischem Zuspiel immer schneller und dynamischer werden. Genial, wie sich im Finale erst klassische und elektronische Passsagen abwechseln, um dann in all ihrer Pracht parallel zu harmonieren.
Der Soundtrack funktioniert auch, weil man den Pop der Bilder hier für einen Moment vergisst und nun die Mystik ganz in der Musik entdecken kann. In einem Zeitalter, in dem Pop hauptsächlich über die visuelle Komponente funktioniert, ist das selten. „Deinem Sampler ist egal, wie du aussiehst“, schrieb der Musiktheoretiker Kodwo Eshun einmal. Daft Punk haben das erkannt und inszenieren ihre futuristische Maskerade neu, als atmosphärisches Klangwerk. Die Musik ist auf dem Soundtrack das Geheimnisvolle, das es zu erforschen gilt.
Hinter der Maske dieser Musik entdeckt man Bilder, die geradewegs aus der futuristischen Filmwelt von „Tron Legacy“ zu stammen scheinen: in leuchtendem Neon gehaltene geometrische Felder, auf denen sich futuristische Maschinen und Menschen Wettrennen und Verfolgungsjagden liefern. Der Film ist die Fortsetzung zum 80er-Jahre-Kultfilm „Tron“ um Wettkämpfe im digitalen Innenleben eines Supercomputers. Mit teuren Animationseffekten und der Verpflichtung alter und neuer Stars bringt Hollywood nun diesen zweiten Teil ins Kino. Hierzulande wird er Ende Januar anlaufen.
Daft Punk verwandeln ihre Pop-Mystik auf neuartige und eindrucksvolle Weise: durch Bilder in unseren Köpfen. Den maskierten Cameo-Auftritt im Film hätte es da wohl nicht mehr gebraucht, aber er erinnert uns daran, was Daft Punk ja immer noch sind: Popstars.MATHIAS KILIAN HANF
■ Daft Punk: „Tron Legacy“ (EMI)