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Fußballfan-Kongress in HamburgVereint gegen das Kapital

Beim 2. europäischen Fan-Kongress in Hamburg kämpfen die Teilnehmer gegen die fortschreitende Marginalisierung ihrer Interessen.

Englische Fans leiden besonders stark unter den Folgen der Fußball-Kommerzialisierung. Bild: ap

HAMBURG taz | Kulturell können sich europäische Fußballfans einigen auf: anständiges Bier, ein Stück Fleisch, ein Fußballplatz und Bälle, Rockmusik. Aber auch in Bezug auf ihre politischen Anliegen liegen die Fans aus Schweden, Griechenland, Israel, England, Frankreich und Deutschland auf einer Wellenlänge. Dies wurde beim zweiten internationalen Kongress der Football Supporters International (FSI) in Hamburg deutlich, der am Sonntag in Hamburg zu Ende ging.

300 Delegierte aus 29 Ländern vertraten etwa zwei Millionen Fußballfans. Nicht vertreten: Armenien, Aserbaidschan, Finnland, Kasachstan, Moldawien und Rumänien. Am Samstag wurde in zehn Workshops über die Bildung von Netzwerken, Gewalt in Stadien, die Förderung behinderter Fans, Anstoßzeiten, Lizenzierungsverfahren von Fußballvereinen und den Einfluss von Fans auf ihre Clubs diskutiert. Es entstanden Arbeitsgruppen, die per Mail weiter kommunizieren werden.

Im Workshop "Fan ownership" saß Jens Wagner von der Abteilung Fördernde Mitglieder/Supporters Club des Hamburger SV. Bei Sporting Lissabon sitzen drei Fans im Aufsichtsrat, "obwohl die Presse, wie hier in Hamburg der Boulevard, vor den Wahlen gegen die geschossen hat". Bei den Wahlen des Sporting-Aufsichtsrats versammelten sich 11.000 Mitglieder.

Eine solche Mobilisierung gelang den Supporters des HSV, die 46.000 Mitglieder haben, bei der Wahl im Februar 2009 nicht. Folge: Die Fan-Kandidaten fielen durch, der Vorstandsvorsitzende Bernd Hoffmann fühlte sich stark für den Machtkampf mit Sportchef Dietmar Beiersdorfer und gewann ihn.

Shay Golub (Israel) boykottierte ein Jahr lang Spiele seines Clubs Hapoel Kfar Saba, "weil der Club-Besitzer alles Geld in die eigene Tasche gesteckt und nichts in die Mannschaft investiert hat". In Spanien, wo die meisten Vereine ihre Profiabteilungen in inzwischen hoch verschuldete GmbHs ausgegliedert haben, wird versucht, dies rückgängig zu machen. Im Kern, so Wagner, "geht es darum, dass mehr Fans in den Vereinen mehr Einfluss haben". Sie sind schließlich die "letzte Konstante", erklärt Cevin Miles, Mitglied des FSI-Vorstands und Fan von Newcastle United. Club-Besitzer wechseln, Spieler und Trainer sowieso, die Rechtsform auch, "nur die Fans bleiben".

Die FSI, die von der Uefa anerkannt, als Gesprächspartner geschätzt und finanziell unterstützt wird, schlägt vor, in die Lizenzierungsbedingungen einen Passus einzubauen, der verlangt, dass Vereine, die an internationalen Wettbewerben teilnehmen, auch ohne Investoren überlebensfähig sein müssen. "Die 50-plus-eins-Regel in Deutschland", sagt Miles, "nach der ein Investor nicht mehr als 50 Prozent eines Vereins erwerben kann, muss verteidigt werden. Geht das, kommt es nicht wieder."

Ein Thema, das ebenso mit dem Einfluss der Investoren zu tun hat, sind die Anstoßzeiten. Denn hier geht es um die TV-Vermarktung. Tobias Westerfellhaus, Jugendfanvertreter von Borussia Dortmund, hörte in seinem Workshop, was Jaume Llorens (Spanien) und Tam Ferry (Schottland) berichteten: "Spanien hat ein ganz schlechtes System." Der Spieltag geht von Freitag bis Montag, Anstoßzeit 22 Uhr, dazu mittwochs das Topspiel um 22 Uhr. "Zuschauerzahlen gehen zurück", sagt Westerfellhaus, zu Auswärtsspielen fahren statt 3.500 nur noch 300 Fans. In Schottland ist die Lage, wie in der Premier League Englands, "grottenschlecht".

Der Workshop beschloss Aktionen für die Rückkehr zu den traditionellen Anspielzeiten in allen Ländern mit identischen Logos, Bannern, Zaunfahnen. Auch hier versucht die FSI die Uefa davon zu überzeugen, dass Fanbelange in den Lizenzierungsverfahren berücksichtigt werden. "Der Vertreter der Uefa, der in unserem Workshop saß, fragte, ob wir das wollen", sagt Westerfellhaus.

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