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Fußballer Balotelli verlässt ItalienFalsche Farbe

Der in Italien wegen seiner Hautfarbe oft von Rassisten angefeindete Mario Balotelli wechselt zu Manchester City. Italiens Sportöffentlichkeit reagiert beinahe erleichtert.

Kehrt Inter Mailand und Italien den Rücken: Mario Balotelli. Bild: ap

Zurück zur Fremdenlegion oder ab in die Post-Kolonialismus-Schule? Inter Mailand gibt in dieser Woche voraussichtlich das Großtalent Mario Balotelli an Manchester City ab. Der italienische Meister und Champions-League-Sieger entledigt sich damit nicht nur des einzigen vielversprechenden einheimischen Nationalspielers in den eigenen Reihen. Er sendet auch das Signal aus, dass Kinder von afrikanischen Eltern im gegenwärtigen Italien nicht sonderlich gute Karrierechancen im Sportentertainment besitzen. Gnädige Beobachter konzedieren der italienischen Gesellschaft nun eine historische Chance zum Nachsitzen in der multiethnischen Postkolonialismus-Schule auf den Britischen Inseln. Andere konstatieren lediglich ein Zurück zu den alten Praktiken der Fremdenlegion beim FC Internazionale.

Nach einigen Tagen geringerer medialer Aktivitäten wird die Fährte wieder heißer. Laut Informationen der englischen und italienischen Presse haben am Mittwoch die Unterhändler von Manchester City ein Flugzeug bestiegen, um in Mailand die letzten Probleme beim bevorstehenden Transfer vom Inter-Angreifer Mario Balotelli zu lösen. Laut dem Corriere dello Sport sind die Gehaltsvorstellungen geklärt. Der 19-Jährige sei nun mit etwas weniger als 4 Millionen Euro Jahresgage zufrieden. Den Einnahmeverlust für seinen Klienten von circa 1 Million Euro in fünf Jahren Vertragslaufzeit soll nach dem Willen des Managers Mino Raiola Inter-Präsident Moratti als eine Art Scheidungsprämie drauflegen.

Als "separati in casa", also "getrennt unter einem Dach Lebende", bezeichnet die italienische Sportpresse Balotelli und den Rest von Inter ohnehin seit Wochen. Um Alimente zu sparen, stellen Expartner, die sich gegenseitig nicht mehr ausstehen können, allerdings in diesem Lande häufig die seltsamsten und meist heftig masochistisch aufgeladenen Kapriolen an. Der Schlussakt in diesem Fall kann da durchaus noch in weiter Ferne liegen.

Der Umgang mit dem Balotelli-Transfer gibt aber einige interessante Hinweise auf die Verfasstheit der italienischen Sportöffentlichkeit. Groß ist die Trauer über seinen bevorstehenden Weggang nicht. Die Gazzetta dello Sport berichtete brav vom Abschiedsfest einiger Fans. Ansonsten wird getan, als handele es sich um das ganz normale Geldgeschiebe im Profifußball. Heftig hingegen war das Geschrei, als vor ein, zwei Jahren die englischen Großclubs ManU, Arsenal und Chelsea reihenweise italienische Teenager verpflichteten. Eine "Flucht der Talente" konstatierte die Gazzetta dello Sport. "Raub der Talente", schäumte der Corriere. Nun ja, die "Opfer" dieser "globalisierten Räuber", die Federico Macheda und Davide Petrucci (ManU), Fabio Borini (Chelsea) und Vito Mannone (Arsenal), trugen die bleiche Gesichtsfarbe, die in dem von Postfaschisten und Regionalrassisten regierten Land zum Ausweis des Italienertums gehört.

Mario Balotelli hingegen ist ein in Italien geborener Sohn ghanaischer Eltern. Und das sieht man ihm an. Rassistische Fans beschimpften ihn in den zweieinhalb Jahren, in denen er Inter zu drei Titelgewinnen verhalf, dauerhaft. Die Anhänger der Schwarz-Weißen (sic!) von Juventus schälten sich als besonders aggressiv heraus. Hassgesänge dröhnten ebenso in Rom, in Verona und in Florenz von den Rängen. Nur selten nahm die Sportjustiz den Spieler in Schutz und verurteilte die Rassisten.

Balotelli wehrte sich auf seine Art. Er zeigte denen, die ihn attackierten, den Stinkefinger. Von seinen Mitspielern beim FC Internazionale, die ihm empfahlen, in guter Uncle-Tom-Manier die Beschimpfungen hinzunehmen und brav seinem Tagwerk nachzugehen, distanzierte er sich zusehends. Balotelli sieht sich als junger Krieger. In der Premier League, unter den Fittichen seines alten Förderers Roberto Mancini, dürfte er sich hauptsächlich durchs permanente Pressing und die hohe Laufarbeit herausgefordert fühlen. In einer Gesellschaft, in der zumindest die Spitzenverdiener nicht wegen ihrer Hautfarbe diskriminiert werden, hat er bessere Entfaltungsmöglichkeiten.

Die Chance, mit Balotelli am Abbau ihrer Rassismen zu arbeiten, haben italienische Tifosi übrigens noch immer. Der in Brescia aufgewachsene Teenager gilt als ein Grundbaustein beim Neuaufbau der Squadra Azzurra unter Cesare Prandelli.

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10 Kommentare

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  • N
    neuhaus

    also im wahren leben ist italien jawohl weltoffener als deutschland z.b. immerhin stelen dort ein rittel der einwanderer das unternehmertum, haben insgesamt ein mittelständisches einkommen etc, arbeitslosenquote auch im durchschnitt. obwohl die oft nur ein paar jahre dasind. in deutschland leben leute 40 jahre hier sind doppelt so oft arbeitslos, im durchschnitt arm. bitte, trotz der bösen lega nord und ihrer imaginären faschisten in der regierung. sie lenken immer von germanien und seiner horrorpoltik ab, selbst wenn es um sport geht, wo ja auch viele prollos ihr ventil suchen,

    hören sie sich mal in berlin im stadion die sprüche an, auch vielfach rassistisch von primitiven , kaputten typen.

     

    bg

  • T
    tobias

    Grausamer Artikel...fast schon Bild Nievau.

     

    Wer sich als Inter Spieler in einem Trikot von Milan ablichten lässt, in Interviews ständig davon redet das der AC sein Lieblingsverein ist, gern gesehener Ehrengast bei Milan Spielen ist und sich zum jubeln oft demonstrativ vor die gegnerischen Fans stellt hat auch einen eigenen Anteil an seiner Situation.

     

    Doch die italienische Seele ist es gewohnt viel zu erdulden und nimmt vieles Kommentarlos hin. Nicht aber den Verrat

  • R
    Rico

    wer diesen artikel verfasst hat keine ahnung.... balotelli hat als inter spieler ein milan trikot angezogen, dass ist genauso schlimm, wie wenn eine hamburg spieler ein bremen trikot anzieht (in seiner freizeit) oder ein köln spieler ein gladbach trikot, oder ein schalker ein bvb trikot oder oder oder... außerdem hat er den inter fans vor die tribüne gespuckt nachdem sie ihn ausgepfiffen haben weil er eine lustlose partie gegen barca gespielt hat. ihr habt doch alle kein plan was ihr redet von was ihr redet! der junge hat es bestimmt schwer in italien aber die eigenen fans hätten ihn immer unterstützt währe da nicht die sache mit dem "ich mag milan mehr als inter" usw.... der hundesohn soll sich auf die insel verpissen wenn er so ein linken macht dieser dreckverräter! und dann muss ich sone artikel lesen die den italienischen fußball schlecht machen... geht mal nach leipzig und guckt wie die ihre schwarzen spieler fertig machen... das ist überall so!

  • S
    sandro

    Ganz schwacher artikel.

    Als inter-tifoso kann ich nur bestätigen dass hier sehr schlecht recherchiert wurde.

    balotelli ist bei inter erst so unbeliebt, seitdem er bei seiner auswechslung am ende dieser saison sich das trikot vom leibe riss und es provokant auf den boden warf und dabei in die nordkurve blickte.

    das er sich ein paar wochen vorher auch noch im ac milan trikot fotografieren ließ ist auch nicht gerade vorteilhaft.

    dieser junge ist alles andere als ein heiliger.

    ganz unbeliebt ist der junge in italien auch nicht. neueste umfragen vor der wm ergaben dass etwa zwei drittel der italiener ihn gerne in der nationalmannschaft hätten.

    ich finde es schade dass er geht, den er ist ohne zweifel eines der größten talente der letzten jahre.

    aber für 30 mio würde ich ihn sofort ziehen lassen...

  • M
    marek

    ganz schwacher artikel. schlecht recherchiert und einfach nur in die rechtsradikale presche reingeschlagen, damit die leute sich echauffieren können. so sollte man nicht seine artikel vermarkten, herr mustroph.

    inter mailand will balotelli loswerden - und zwar nicht, weil er schwarz ist, sondern weil er sich nicht benehmen kann und sich einfach nicht professionell verhält. er ist die letzten jahre sehr oft mit mourinho aneinander geraten, dieser hat ihn für seine lasche trainingseinstellung gerügt und deswegen nicht einsetzen wollen.

    moratti wird wohl die schnauze voll haben von der diva und wird ihn sehr gerne für 30 mio. nach mancity verfrachten. da kann er dann weiter stunk machen - bei inter braucht man ihn momentan nicht wirklich.

    interessant wird, ob er sich in der offensive von city durchsetzen kann. vom spielerischen müssten adebayor und tevez stärker sein, aber mal sehen, was der mancini aus seinem schüler machen kann. vieleicht bringt der ihn ja zur vernunft.

  • GS
    Georg S.

    Vielleicht hätte der Autor im Artikel auch die andere Hälfte der Wahrheit erzählen können. Wieviel Liebe wird wohl ein Inter-Spieler von seinen Fans bekommen, wenn dieser sich vor den Kameras das AC-Shirt anzieht? Und das ist nur eine von vielen Anekdoten von diesem überaus dummen, egoistischen und arroganten Menschen. Balotelli wäre für sein Verhalten in jedem Verein dieser Welt verhasst sein. Wenigstens sorgt seine Hautfarbe dafür, dass Journalisten mehr Artikel verkaufen können.

  • L
    Larhgajsdb

    Der Artikel ist schlecht recherchiert. Wenn Balotelli der "einzige vielversprechende einheimische Nationalspieler" bei Inter ist, was ist dann mit Santon?

  • S
    Supermario

    Wäre schön für Balotelli, endlich aus Italien raus zu kommen. Aber wer in dem Alter mit solchen Gehaltsforderungen (siehe Link) kommt, hat doch auch nix kapiert.

     

    http://www.dailystar.co.uk/football/view/147725/Man-City-Balotelli-deal-off/

  • RK
    R. Kelly

    Wieder nur die halbe Wahrheit: es stimmt, dass etliche fehlgeleitete Fangruppierungen ein Problem mit der Hautfrabe des jungen Mannes haben, das weitaus größte Problem ist jedoch das schlechte Benehmen auf dem Platz, sowie außerhalb des Platzes des schlechterzogenen Jung-Millionärs. Dies führte dazu, dass nahezu sämtliche Anhänger diesen Spieler abgelehnt haben.

    Vielleicht sollte sich Herr Mustroph besser infromieren und nicht sofort angeblichen Rassismus eines ganzen Vereins und der Anhängerschaft vermuten und gleichzeitig einem Spieler aufgrund seiner Hautfarbe eine Entschuldigung für alle Verfehlungen geben. Ist ja eigentlich rassistisch.

  • P
    philipp

    ich bin auch froh, dass balotelli aus der liga geht, die ich regelmäßig verfolge.

    bin ich deswegen ein rassist?

    ist balotelli ein unschuldslamm, nur weil er auch opfer rassistischer beleidigungen einiger idioten wird?

    falls er in zukunft auch von englischen fans ausgepfiffen wird, sind das dann auch alles rassisten? und welche begründung gibt es dann, dass sie ihn aber nicht bspw drogba auspfeifen?

     

    und der vergleich mit macheda, petrucci usw hinkt leider auch.

    denn diese waren noch minderjährig und durften keinen profivertrag unterschreiben, so dass die englischen clubs nur eine geringe ausbildungsentschädigung von weit unter 30 millionen (oder wieviel mancity jetzt auch zahlen wird) leisten mussten.

     

    in diesem sinne, nicht nur immer alles nachlabern, sondern vielleicht auch selbst gründlicher recherchieren