piwik no script img

FußballdiplomatieDie Heim-Macht heißt willkommen

Flüchtlinge und AnwohnerInnen in Köpenick sollen miteinander reden. Bei einem Begegnungsabend im Stadion des FC Union knüpfen sie erste Kontakte.

Im Stadion an der Alten Försterei in Köpenick, wo sonst der FC Union spielt (hier mit Trainer Düwel) trafen sich jetzt Flüchtlinge und Anwohner. Bild: dpa

Am Mittwochabend fahren vier Reise-Busse am VIP-Eingang des Köpenicker Stadions vor. Die Flüchtlinge aus den Asylunterkünften in der Allende-Siedlung steigen aus, sie sind zu Gast bei der "Heim-Macht" - so hat das Fußballmagazin kicker den hier beheimateten FC Union nach dessen Sieg gegen Heidenheim bezeichnet, dem vierten Heimsieg in Folge: "Das Stadion an der Alten Försterei wird allmählich zur Festung."

An diesem Abend öffnet diese Festung ihre Glastüren für die neuen und die alten NachbarInnen aus dem Plattenbauviertel. Die Wohnungsgesellschaft Degewo hat zusammen mit dem Fußballverein zu einem "Anstoß zur Begegnung" geladen. Oben warten bereits rund hundertfünfzig Degewo-MieterInnen. Bei Kaffee und Butterkuchen in der Lounge sollen zwischen ihnen und den AsylbewerberInnen die Kontaktbarrieren fallen. Doch das ist gar nicht so einfach.

Da wäre vorrangig die Sprachbarriere: Mohammed ist einer der jungen Männer, die sich halb schüchtern, halb neugierig im Empfangssaal umschauen. Der Syrer, der in Damaskus Elektroingenieur studiert hat, wohnt in dem Containerdorf in der Alfred-Randt-Straße, sein Deutsch reicht für das Nötigste. "Container nicht gut: kleine Zimmer, Mitarbeiter sehr gut." Ob er sich im Viertel willkommen fühlt? - Mohammed wackelt mit dem Kopf: "Kleine Probleme. Manche mögen uns nicht."

Der junge Syrer spielt auf die Kundgebungen vor dem Heim an, die rechte HeimgegnerInnen wöchentlich veranstalten. 15 Leute sind von den einst 200 Demonstrierenden geblieben. "Diese Menschen erreichen wir nicht mehr", sagt der Heimleiter Peter Hermanns, ein hagerer Mann, Anfang fünfzig, mit Backenbart. Zu der Begegnung heute seien aber die anderen Nachbarn gekommen, "auch Leute mit Bedenken". Diese Bedenken versuchten sie hier auszuräumen.

Nur wie, ohne gemeinsame Sprache? Natalie und Janina, zwei junge Frauen im Union-Outfit, betreuen an einem der Bastel- und Schminktische die Kinder. "Viele sind sehr schüchtern. Wir versuchen mit Herzen in Kontakt zu treten", erklärt Natalie. Neben ihnen am Tisch bringen Flüchtlingskinder buntes Tonpapier mit Scheren in Herzform. Dann kommen drei dunkelhaarige junge Männer in ihrem Alter und machen etliche Handyfotos mit ihnen: "Die wollen zu Hause beweisen, was für tolle Mädchen hier in Deutschland sind", lächelt Janina gelassen. Die beiden scheinen diese ersten Annäherungen auch ein bisschen zu genießen.

Nicht viele der Erwachsenen an den langen Kaffeetischen unternehmen den Versuch einer Kontaktaufnahme. Aber Ehepaar Riesche, das in Wirklichkeit anders heißt, aus der Pablo-Neruda-Straße bemüht sich redlich. Schon eine halbe Stunde lang ist die pensionierte Krankenschwester mit der bunten Strickjacke und den weißen Haaren dabei, sich mit Familie Avedisova zu unterhalten, ihr Mann sitzt daneben und hört zu. Das armenische Ehepaar kam mit seinen zwei Kindern vor sieben Monaten aus Turkmenistan nach Deutschland. "So gefällt's ihnen hier wohl ganz gut", fasst Frau Riesche zusammen. Doch da erzählt die Tochter Moni, ein zierliches Mädchen mit einem zugewandten Blick, von ihrer deutschen Grundschulklasse. "Die anderen wollen nicht mit mir spielen, weil ich aus dem Heim bin." Frau Riesche schüttelt den Kopf und sieht Moni an: "Da musst du jetzt denen einfach sagen, du bist jetzt hier zu Hause." Auf dem Gesicht des Mädchens erscheint ein vages Lächeln, die Eltern wirken unsicher, als hätten sie es nicht ganz verstanden. Am Ende tauschen beide Familien die Telefonnummern aus.

Inzwischen tönt Synthesizermusik durch die Boxen. Die Mädchen der internationalen Tanzgruppe "Tanzmonster", selbst Flüchtlinge aus einem Flüchtlingsheim in Tempelhof, tänzeln stolz in langen grünen Kleidern vor der Bühne umher, es ist ein tschetschenischer Volkstanz. Die verbliebenen Gäste, fast nur noch Flüchtlinge, applaudieren begeistert.

Bei all der Schüchternheit, die in vielen Gesichtern geblieben ist, es ist ein anmutiger Abend geworden, der versucht beide Parteien gleichberechtigt wahrzunehmen und der mit einem gemeinsamen Essen ausklingt. Der Anklang der Veranstaltung bei den rund 2000 Degewo-Mietparteien im Allende-Viertel ist zwar insgesamt verhalten, doch es sei ja auch nur "ein Signal", sagt Heimleiter Peter Hermanns. Der Dialog solle weitergehen, mit gemeinsamen Gartenprojekten und mit einer neuen Begegnungsstätte in der Alfred-Randt-Straße, die künftig für alle AnwohnerInnen offensteht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!