Fußball-WM der Möchtegern-Nationen: Wenn der Lappe mit dem Padanier
In Norditalien startet die WM für Möchtegern-Nationen wie Okzitanien oder Sealand. Die Lega Nord verwischt mit dem parteieigenen Team Padaniens die Grenze zwischen Politik und Sport.
![](https://taz.de/picture/348240/14/Padanien.jpg)
Unter Schirmherrschaft der Lega Nord tragen von der Fifa nicht anerkannte Nationen ihre Fußball-WM aus. Wer für Unabhängigkeit streitet, dem ist offenbar keine Allianz zu seltsam. Freiheitsliebende Kurden, sture Okzitanier und stolze Lappen kämpfen auf Einladung der separationswilligen Partei vom 22. bis 27. Juni in vier norditalienischen Stadien um den Weltmeistertitel der unabhängigen Nationen. "Viva World Cup" nennt sich diese zum dritten Mal ausgetragene Veranstaltung. Padaniens Auswahl holte im letzten Jahr im Land der Sami die Trophäe, die offiziell die Nelson-Mandela-Trophy genannt wird.
Die Padanier, eine artifizielle Nation, die vor allem in den norditalienischen Regionen Piemont, Lombardei und Veneto Zuspruch findet, wollen in der Heimat den Titel verteidigen. Das kündigt jedenfalls Kapitän Lorenzo Cresta an. Der 29-Jährige verdient sein Geld als Profi in der dritten italienischen Liga. Am Sonntag noch kickt er in den Play-offs für seinen Heimatverein Pro Patria. Von Montag bis Freitag steht angesichts der kaum zu bezweifelnden Qualifikation fürs Finale fast täglich ein Spiel an.
Aber Cresta glaubt, diese padanische Woche lockerer wegzustecken als manch Serie-A-Kicker eine englische. "Ich bin stolz, für die Farben meines Landes anzutreten. Auf dem Fußballplatz wollen wir sportliche Werte, aber auch die Werte unseres Landes unter Beweis stellen", sagt er. Explizite politische Ziele äußert er nicht. Das verwundert ein wenig. Denn die Padanien-Auswahl ist schließlich die Partei-Mannschaft der in der politischen Arena gern großmäulig auftretenden Lega Nord. Sie wird sogar vom Filius des Lega-Gründers Umberto Bossi gemanagt: "Renzo Bossi macht gute Arbeit. Ihm ist zu verdanken, dass wir eine schlagkräftige Truppe haben und jetzt dieses Turnier ausrichten", meint Kapitän Cresta.
Bossi junior dürfte das Lob gefallen. Italienische Medien verspotten ihn sonst gern als "Forelle". Papa Umberto hatte auf das Gerede vom Thronfolger Renzo - Kronprinz oder Dauphin bedeutet auf Italienisch auch Delfin - mit der Bemerkung reagiert: "Der ist kein Delfin, sondern allenfalls eine Forelle."
Mit der parteieigenen Kickerauswahl hat die Forelle ihr Planschbecken gefunden. In diesem mischen sich wie schon im Lega-Alltag durchaus begründbare soziale Anliegen mit simplen Karriereambitionen und abstrusen Elementen. Der ausrichtende Verband NF Board wurde 2003 ausgerechnet von Luc Misson mitbegründet. Der Belgier wurde in der Welt des Fußballs als der Anwalt von Jean-Marc Bosman bekannt. Dessen Klage auf ablösefreien Transfer nach Vertragsende ließ den Weltfußballmarkt in der heutigen Dimension erst entstehen. Misson will nun den kleinen, von der Fifa nicht anerkannten Nationen zu ihrem Recht auf Länderspiele und Turniere verhelfen "Die Kriterien der Fifa sind nicht konsistent. Schotten sind zugelassen, Lappen oder Kurden aber nicht", sagt Misso.
Bei NF-Board-Mitgliedern wie Tibetern, Tschetschenen, Rom und Sahrauis (Westsahara) wirkt dieses Anliegen überzeugend. Bei Padanien, Südniedersachsen oder dem Fürstentum Sealand (vom Gründer eines Piratensenders ausgerufenen) schleicht sich aber eine komische Note ein. Star des Turniers wird wohl der ehemalige Milan- und Inter-Stürmer Maurizio Ganz. Aber Lappen und Kurden, Okzitanier und Provenzalen sowie die Abgesandten der zu Malta gehörenden Insel Gozo wollen dem Veteranen einheizen.
Afrikanische Fußballer nehmen an dem Turnier nicht teil. Das ist schade. Man hätte zu gern gesehen, wie der erklärte Migrantenfeind und aktuelle Innenminister Roberto Maroni, zugleich Gründungsmitglied der padanischen "National"-Mannschaft, etwa beim Aufeinandertreffen seiner Auswahl mit aramäischen Exilanten reagiert hätte. Vielleicht muss man den von Maroni brutal abgeschobenen Lampedusa-Anlandern aber auch nur empfehlen, statt auf politisches Asyl zu dringen, einfach eine neue Fußballnation zu gründen, die gewillt ist, dauerhaft Freundschaftsspiele gegen Padania Calcio in Novara und Brescia, Verona und Vercelli auszutragen. Vielleicht stehen sie dann unter dem persönlichen Schutz Maronis.
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