Fussball-Bundesliga: Lichtgestalt gefunden
Werder Bremen gewinnt bei Borussia Mönchengladbach 4:1 - mehr als von den eigenen Toren sind die Bremer von den Paraden ihres Ersatzkeepers begeistert. Der selbst kann das alles am allerwenigsten fassen.
Über fehlende Gratulanten brauchte sich Rekord-Schütze Claudio Pizarro nach seinem 134. Bundesligator wahrhaftig nicht zu beklagen. Doch bei all den Schulterklopfern um ihn herum versäumte es der Peruaner mit dem sonnigen Gemüt nicht, den Mann verbal zu ehren, der ihm zum persönlichen Jubeltag im Borussia-Park das passende Ergebnis beschert hatte.
Denn ohne die zum Teil sagenhaften Paraden von Ersatztorwart Sebastian Mielitz hätte Werder kaum 4:1 in Mönchengladbach gewonnen. "Das Ganze hätte auch 10:6 für uns ausgehen können", staunte etwa Werder-Kapitän Torsten Frings, während Pizarro die Leistung von Mielitz mit einem Wort zusammenfasste: "Überragend." Und dann noch einmal für Genießer: "Ü-ber-ra-gend."
Bei den Gastgebern machten sich die Fans angesichts seiner Furcht erregenden Bilanz - 27 Gegentreffer in neun Runden - gezielt über Stammkeeper Logan Bailly her. Für jeden Kullerball, den er unfallfrei aufnahm, erhielt der Belgier höhnischen Applaus von den eigenen Rängen. Das schmerzte sogar Bremens Mielitz: "Das Glück, das ich hatte, hat ihm heute gefehlt", sagte der U 20-Nationalkeeper - obwohl er genug damit zu tun hatte, erst einmal mit der eigenen Gala-Vorführung klarzukommen.
Als weitgehend unbekannter Vertreter des verletzten Tim Wiese absolvierte Mielitz am Samstag sein erst drittes Bundesligaspiel - und überwältigte dabei wohl vor allem sich selbst. Eine gute halbe Stunde nach Spielschluss reichte es für den Mann, der vier Monate vor dem Mauerfall im brandenburgischen Zehdenick zur Welt kam, vor der TV-Kamera noch zum kurzen Gruß an "Mama, Papa, meine Freundin und die Oma" - ansonsten aber drehten sich Sebastian Mielitz Gedanken um Sebastian Mielitz.
"Beim Auslaufen bin ich gerade noch in mich gegangen", berichtete der 21-Jährige, der mit der Güte des eigenen Beitrags aber trotz aller Bemühungen nicht so rasch zu Rande kam. "Im Moment fällt mir gar nichts ein", gestand Mielitz, wusste aber immerhin: "Das war einfach atemberaubend heute." Selbst Borussen-Trainer Michael Frontzeck blieb noch nachträglich die Spucke weg, als er daran dachte, wie Werders Schlussmann in der 51. Minute "eine tausendprozentige Chance" des Kameruners Mohamadou Idrissou mit einem sagenhaften Reflex zunichte gemacht hatte - ehe im direkten Gegenzug durch einen abgefälschten Schuss von Aaron Hunt das 0:3 fiel.
Speziell an diese Szene erinnerte sich Klaus Allofs, als er den Held in Handschuhen drei Tage vor dem Pokalspiel bei Cup-Verteidiger Bayern München mit Lob überschüttete. "Auch wenn das Spiel klar ausgegangen ist - es gab Momente, wo die Partie hätte kippen können. Und in denen hat er tolle Paraden und insgesamt eine sensationell gute Leistung gezeigt", lobte der Werder-Manager Mielitz.
Stammkraft Wiese hatte sich schon vor dem Anpfiff gänzlich unbesorgt gegeben. Schließlich kennt er Mielitz aus dem täglichen Training am Weserstrand, entsprechend optimistisch fiel Wieses Vorab-Prognose aus: "Sebastian packt das, daran habe ich keinen Zweifel." Seine Rückkehr ins Tor plant der 28-Jährige selbst für das Heimspiel am Samstag gegen Nürnberg. Bei der Neuauflage des letzten Pokalfinales - am morgigen Dienstag in München - wird also Mielitz noch einmal das Bremer Tor hüten. Zwar erwartet ihn dabei der schwächste Angriff der Liga - trotzdem sollte er sich nicht darauf verlassen, dass die Bayern mit ihren Tormöglichkeiten so viel Schindluder treiben wie die Gladbacher.
Doch ganz unabhängig davon: Werders zweiter Keeper beschert Klaus Allofs keine weiteren grauen Haare. "Er strahlt diese Ruhe aus", sagt der Manager über Mielitz. "Ein gutes Gefühl." Deutschlands neueste Torhüter-Entdeckung? Offenbar nicht: "Sebastian Mielitz ist keine Entdeckung für uns", sagt Allofs. "Wir wussten, dass er gut ist."
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