Fusionsfieber auf den Finanzplätzen: "Der Stärkste überlebt"
Nach der Fusionsankündigung der Börsen von London und Toronto will nun auch die Deutsche Börse mit der US-Konkurrentin Nyse Euronext zusammengehen.
FRANKFURT/NEW YORK rtr | Mega-Fusionen in der Börsenbranche: Die Deutsche Börse steht vor einem Zusammenschluss mit ihrer US-Konkurrentin Nyse Euronext. Damit würde der in der Mainmetropole ansässige Börsenbetreiber zur weltweiten Nummer Eins aufsteigen mit Handelsplätzen in New York, Paris und Frankfurt. Zudem will die traditionsreiche Londoner LSE die kanadische TMX übernehmen.
Die Deutsche Börse und die Nyse Euronext teilten am Mittwoch mit, dass die Gespräche über einen transatlantischen Zusammenschluss bereits weit fortgeschritten seien. Sie bestätigten entsprechende Reuters-Informationen. Sollte die Fusion zustande kommen, entstünde ein Gigant mit einer gemeinsamen Marktkapitalisierung von 24 Milliarden Dollar. Damit würde das neue Unternehmen die Rohstoffbörse Chicago Mercantile Exchange (CME) mit einem Börsenwert von rund 20 Milliarden Dollar vom Thron stoßen. Eine Einigung zwischen Deutscher Börse und Nyse wird mit den Verhandlungen vertrauten Kreisen zufolge noch im Februar erwartet.
Die Papiere der Deutschen Börse reagierten mit einem Kurssprung von 5,40 Prozent auf 60,55 Euro. Die Analysten zeigten sich darüber erfreut. Ein Zusammenschluss der beiden Börsenbetreiber wäre strategisch sinnvoll, da es Synergiepotenzial im europäischen Derivatehandel gebe und sich die Marktstellung im außerbörslichen Handel verbessern würde, schrieb etwa der UBS-Experte Arnaud Giblat.
NYSE Euronext ist ein transatlantischer Börsenbetreiber, der im Jahr 2007 durch die Fusion der europäischen Mehrländerbörse Euronext (Euronext N. V.) mit der New York Stock Exchange (NYSE Group, Inc.) entstanden ist. NYSE Euronext betreibt die Börsen in Amsterdam, Brüssel, Lissabon und Paris, den Terminmarkt in London, die New York Stock Exchange und die NYSE Amex (früher American Stock Exchange) in New York sowie die NYSE Arca in Chicago und San Francisco. (Wikipedia | Lizenzbestimmungen_Commons_Attribution-ShareAlike_3.0_Unported:CC-BY-SA)
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Die New York Stock Exchange (NYSE) ist die größte Wertpapierbörse der Welt und gehört zur NYSE Euronext-Gruppe. Die NYSE ist auch unter dem Namen „Wall Street“ bekannt. (Wikipedia | Lizenzbestimmungen_Commons_Attribution-ShareAlike_3.0_Unported:CC-BY-SA)
Deutsche Börse soll Mehrheit von 60 Prozent haben
Finanzkreisen zufolge planen Deutsche Börse und Nyse Euronext nach außen zwar eine Fusion "unter Gleichen". De facto dürften die Deutschen allerdings das Sagen haben. Denn laut gemeinsamer Mitteilung sollen sie mit bis zu 60 Prozent die Mehrheit an dem fusionierten Börsenbetreiber halten. Mit einer Marktkapitalisierung von rund 15 Milliarden Dollar (elf Milliarden Euro) ist die Deutsche Börse derzeit auch deutlich mehr wert als die NYSE, die auf neun Milliarden Dollar kommt. Chef der neuen Super-Börse solle Nyse-Euronext-Chef Duncan Niederauer werden mit Sitz in New York. Deutsche-Börse-Chef Reto Francioni werde künftig als Verwaltungsratschef von Frankfurt aus arbeiten. Die Synergien wurden auf rund 300 Millionen Euro beziffert. Finanzkreisen zufolge sind Stellenstreichungen wahrscheinlich.
Gerüchte über ein Zusammengehen der beiden Börsenbetreiber hatte es am Mittwoch Nachmittag bereits in den Handelsräumen gegeben, vorübergehend wurden die Aktien beider Unternehmen vom Handel ausgesetzt. Börsianer bejubelten die Nachrichten später: Die in New York notierten Papiere der Nyse Euronext schossen um 14 Prozent in die Höhe, die Aktien der Deutschen Börse kletterten am Abend im außerbörslichen Handel um knapp drei Prozent und notierten bei Lang & Schwarz bei etwa 60 Euro.
"Der Stärkste überlebt"
Experten lobten die Pläne. "Die Branche braucht Konsolidierung", sagte Joseph Greco, Managing Director bei Meridien Equity Partners in New York. "Die Zeiten erinnern an Darwin: Der Stärkste überlebt", sagte Michael Holland, Chairman vom Vermögensverwalter Holland & Co. Auf dem Frankfurter Parkett sorgten die Pläne für Aufruhr bei Händlern. "Das ist so, als wenn Inter Mailand und Real Madrid fusionieren, das ist ein totaler Hammer", sagte ein Börsianer.
Es ist allerdings nicht das erste Mal, dass die Deutsche Börse ein Auge auf die Euronext geworfen hat. Bereits 2006 bot sie dem Börsenbetreiber mit damaligem Hauptsitz Paris Fusionsgespräche an. Allerdings entschied sich die Euronext dann doch für die ihrer Ansicht nach hübschere Braut aus Manhattan. Auch in den vergangenen Jahren agierte die Deutsche Börse in Sachen Expansion eher glücklos. So scheiterte zuletzt die Übernahme der Börse Warschau.
Der Kostendruck steigt
Weltweit stehen die Börsenbetreiber unter Druck, sich zusammen zu tun. Alternative Handelsplattformen laufen den klassischen Anbietern zunehmend den Rang ab, der Kostendruck steigt. Die LSE legte am Mittwoch im Wettstreit um internationale Investoren zunächst vor: Sie will die kanadische TMX mit Sitz in Toronto übernehmen und so den weltweit viertgrößten Handelsplatz und die Nummer eins im lukrativen Geschäft mit Rohstoffaktien schmieden.
Die geplanten transatlantischen Zusammenschlüsse in der Börsenbranche erhöhen im Nachgang den Druck auf die Marktbetreiber in Tokio und Hongkong. Beide stehen nach eigener Auskunft aber nicht davor, auf das internationale Fusionskarussell aufzuspringen. Die Hongkonger Börse kündigte am Donnerstag zwar an, für internationale Allianzen offen zu sein. Bislang seien aber noch keine konkreten Möglichkeiten identifiziert worden, teilte die Hong Kong Exchanges and Clearing mit.
Tokio: "Derzeit sprechen wir mit niemanden"
Die Tokioter Börse teilte mit, sie stehe nicht in Fusionsgesprächen mit einer anderen Börse. "Derzeit sprechen wir mit niemandem", sagte Firmenchef Atsushi Saito. Die Nachrichtenagentur Kyodo zitierte Saito indes mit den Worten, eine künftige Fusion der Tokyo Stock Exchange (TSE) mit der Osaka Securities Exchange, ein kleinerer Rivale im Westen Japans, sei "theoretisch möglich".
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