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Furcht vor Staatsstreich in Litauen

■ Erste Unterredung einer litauischen Delegation mit Jakowlew in Moskau / Ängste in Vilnius wegen eines möglichen Umsturzversuches der prosowjetischen KP / Moskau entspannt

Moskau/Vilnius (afp) - Einer der engsten Vertrauten Präsident Gorbatschows, Alexander Jakowlew, hat am Dienstag drei Mitglieder der nach Moskau entsandten litauischen Delegation empfangen, unter ihnen auch den stellvertretenden Ministerpräsidenten Ozolas. Der zum Moskauer Vertreter Litauens ernannte Egidius Bickauskas meinte nach dem Treffen, es habe sich um „Gespräche über Gespräche“ gehandelt.

In Vilnius grassiert derweil die Angst vor einem Umsturzversuch unter Leitung der prosowjetischen, von der KP Litauens abgespaltenen kommunistischen Gruppe. Präsident Landsbergis erklärte in einem Parlamentskommunique, diese Leute könnten versucht sein, in Litauen mit Hilfe von bewaffneten Kräften, „die anderswo herkämen“, einen Staatsstreich anzuzetteln. Die Besatzer (gemeint sind die sowjetischen Truppen) müßten die Verantwortung für alle Provokationen und für einen eventuellen coup d'etat übernehmen. Gegenüber'adn‘ erklärte gestern ein Sprecher des Parlaments, man müsse „jede Minute“ mit einem Umsturzversuch der Sowjetfreunde rechnen.

Zum Verbot mehrerer Zeitungen der litauischen Unabhängigkeitsbewegung sagte Landsbergis, dies könne das Ende der Glasnost-Ära bedeuten, und zwar nicht nur für Litauen. Zahlreiche Blätter, darunter die der Volksfront Sajudis nahestehende 'Respublika‘, waren am Dienstag nicht mehr erschienen. Das ZK der KPdSU und der sowjetische Ministerrat hatten den litauischen Verlegern mitgeteilt, daß ab sofort eine Reihe litauischer Zeitungen nicht mehr in der Druckerei der KP Litauens hergestellt werden dürfen. Die Druckerei war - Protesten der Belegschaften zum Trotz - für die moskautreue Abspaltung von sowjetischem Militär requiriert worden. Im Gegensatz zu der nervösen Stimmung in Vilnius gab man sich in Moskau entspannter. Bickauskas meinte sanftmütig: „Ich halte es für sehr gut, wenn es Menschen gibt, die miteinander sprechen.“

Arkadi Maslennikow, der gerade einen neu geschaffenen Posten als Pressesekretär von Gorbatschow angetreten hat, schloß am Dienstag anläßlich seiner ersten Pressekonferenz Gespräche über das Selbstbestimmungsrecht Litauens nicht grundsätzlich aus. Auf eine entsprechende Frage antwortete er, die Sowjetunion lehne es nicht von vorneherein ab, „mit den litauischen Führern zu diskutieren“. Sie weigere sich nur, mit ihnen wie mit Vertreten eines souveränen Staates zu verhandeln.

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