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Funny Girl

Dolores French erklärt, warum es sinnvoll ist, für Sex Geld zu verlangen  ■ Von Anke Westphal

Sex: French widmet sich in ihrer jüngst erschienenen Autobiographie vornehmlich seiner ökonomischen Seite, der — in ihrem Fall — einträglichen Kombination von Sex und Geld. French ist Prostituierte.

Prostitution ist Teil einer ganzen Industrie und beschert den Finanzämtern Milliardenbeträge an Steuergeldern. Um die 12,5 Milliarden DM werden in der BRD jährlich für Prostitution ausgegeben. In den USA gab es 1981 etwa 1,3 Millionen Prostituierte; allerdings steht Prostitution dort nach wie vor unter Strafe.

Dolores French hat sich trotzdem und bewußt für den Beruf Hure entschieden. Mit „Kurtisane“ hat sie jetzt ein Buch geschrieben, das im Plauderton als „Einsteigerinnen-Literatur“ abzutun etwas simpel wäre. Es geht ums Businneß und seine ganz speziellen Regeln. Wer von Kurtisane endlose Beschreibungen von Körperteilen und Kopulationstechniken erhofft, wird von den ironischen, gar witzigen 400 Seiten über weite Strecken heiter enttäuscht.

French wuchs als Farmerstochter in jener wertkonservativen Atmosphäre auf, in der genau feststeht, „was richtig und was nicht richtig ist“. In der Miefigkeit ihres Heimatkaffs Louisville, Kentucky, zementiert der hausfrauliche Perfektionismus der Mutter das vermeintliche Ungenügen von Dolores. Auslöser für die Umschulung der Fundraiserin zur Hure ist jedoch anderes: die finanzielle Abhängigkeit der meisten Ehe- und Hausfrauen von ihren Männern verachtet sie als „versteckte Prostitution“. French „will keine Hausfrau sein, die beschimpft wird“ in ihrer latenten Mittellosigkeit. Sie beschließt, den je nachdem ehelich sanktonierten oder nebenehelichen Tauschhandel des Sex for Something aus Erfahrungshunger, Lust und Geschäftssinn professionell aufzuziehen. French will einfach wissen, „wie es ist, für Sex Geld zu bekommen“. Der Körper ist Kapitalanlage und Produktionsmittel, mit dem eine Leistung erbracht wird und dessen Einsatz sich vor dem Verschleiß amortisieren muß. Bei größtmöglicher Gewinnspanne und um eine ganz materiell verstandene Lebensqualität zu sichern.

Mindestens ebenso stark wie die ökonomische Seite fasziniert French das Traum- und Klischeebild der „schillernden Frau“. Es verspricht Selbstbewußtsein und finanzielle Unabängigkeit, mehr aber wohl — und darüber reflektiert sie nicht — verkörpert es Rätselhaftigkeit, Macht und Uneindeutigkeit: das Aufheben stummer Fixierungen. In penibler Gründlichkeit trainiert French sich, theoretisch wie praktisch, die Signifikanten ihres Wunschbildes an: Körpersprache, Verhalten überhaupt, Kleidung. In der Beschreibung ist das nicht ohne Witz: Sobald Dolores die roten Stöckelschuhe auszieht, scheint sie ein unsicht-, aber lesbares „Außer Betrieb“-Schild um den Hals hängen zu haben. Am Ende ihrer Ausbildung vermag sie sich fröhlich, selbstbewußt und perfekt als öffentliche Frau zu inszenieren.

Zwischen Neugier, Naivität, Reflexion ihrer neuen Existenz und deren Darstellung schwankend, vermittelt French den Eindruck eines sozialen Settings, das tatsächlich „schillert“. Niemand ist allein das, was er zu sein vorgibt. Jeder hat verschiedene Identitäten. Alle Welt prostituiert sich oder zahlt für Prostitution, ob Radiomoderatorin, Pastorin oder Manager. French sammelt ihre Erfahrungen auf jedem Level von Prostitution: im Fließbandrhythmus karibischer Bordelle, auf dem Straßenstrich, mit Männern und Frauen, in New Yorker Sado-Maso-Clubs und als kostspieliges Model einer Escort-Agentur.

Der Beruf gibt ihr das Gefühl, wichtig und wertvoll zu sein; nie beschreibt sie sich als Opfer, und zunehmend engagiert sie sich in der amerikanischen Hurenbewegung. „Das Beste von allem ist, daß ich die Kontrolle über die Dinge hatte.“ Das ist aussagekräftiger als alle noch so achtbaren weltanschaulichen Bekundungen der Öko- und Anti-Atom-Hure mit Vogue-Abo und Pelzmänteln, einer Frau, die rotes Lackleder und Political Correctness offenbar unter einen Hut zu bringen versteht. French definiert sich einerseits sehr präzise und klug als Objekt der Wunschvorstellungen ihrer Kunden und Projektionsfläche sexueller Phantasien (etwa im Fall des weißen Schuljungen, der am Telefon eine „schwarze“, also potentere Stimme imitiert), sie reflektiert aber mit keiner Silbe, daß die Freiheit als „schillernde Frau“ sie an nicht weniger restriktive Rituale, Normen und Rollenspiele bindet, als es der spießige Verhaltenskodex ihrer kleinbürgerlichen Herkunft vorsah. Für French verbindet sich Prostitution eben immer mit Revolte, „weil sie gegen fast alles verstößt, was man uns beigebracht hat“. Außerdem ist sie karitativer Dienst, indem jemandem geholfen wird, „dessen Selbstwertgefühl verkrüppelt ist“.

Seltsame Hippie-Theorien über bezahlten Sex sind das; mehr noch verwirrt, wenn French glauben machen will, daß frau mit gebührender Vorsicht alle — oft sehr großen— Gefahren dieses Gewerbes clever zu umschiffen vermag. Vielleicht ist Dolores French doch kein ganz typischer Fall: Sie ist glücklich mit einem erfolgreichen Rechtsanwalt verheiratet, wird nicht wegen Prostitution verurteilt, liebt ihren Job, baut ihr von der entfesselten Sittlichkeit niedergebranntes Haus in Atlanta neu auf und wird als HIRE (Hooking is Real Employment/amerikanische Hurenbewegung)-Präsidentin von Kunden stammelnd verehrt. Sogar Mama hat ihr verziehen.

Dolores French: „Kurtisane“. Mein Leben als Prostituierte. Aus dem Amerikanischen von Helga Bilitewski, Verlag am Galgenberg, 400 Seiten, 39,80 DM.

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