Funktionär über Doping im Schwimmen: "Viele Merkwürdigkeiten"
Funktionär Harm Beyer wundert sich über das Vorgehen der Fina bei der Schwimm-WM. Der Weltverband ziehe werbewirksame Weltrekord-Propaganda einem sauberen Sport vor.
taz: Herr Beyer, wie hoch ist Ihr Grad der Begeisterung angesichts der Rekordflut?
Harm Beyer
Jahrgang 1936, bis 2001 Strafrichter am Hamburger Amtsgericht. War von 1977 bis 1987 Präsident des Deutschen Schwimmverbandes und gehörte von 1984 bis 1996 dem Präsidium des Weltverbandes an.
Harm Beyer: Er hält sich in Grenzen.
Warum?
Hier in Rom gibt es viele Merkwürdigkeiten bei den Leistungssteigerungen, die innerhalb kürzester Zeit aufgetreten sind. Die Anzugfrage ist da nur ein Aspekt.
Sie selbst waren bis kurz vor der WM Mitglied im Anti-Doping-Panel der Fina, wurden dann aber aus dem Gremium herauskomplimentiert. Warum?
Da geht es um Postenschieberei, der ich zum Opfer gefallen bin. Dabei habe ich immer gedacht, dass man das Anti-Doping-Panel davon freihalten sollte, denn dort sind Neutralität, Objektivität und Qualifikation ganz wichtig. Falls ich unter die Fina einen Schlussstrich ziehen sollte, werde ich mein Mundwerk noch weiter aufmachen.
Als Sie noch im Panel mitarbeiteten, hatten Sie da das Gefühl, dass dort in Sachen Dopingtests gerade vor dieser WM in Rom schludrig gearbeitet worden ist?
Ich bekam die Sachen nur auf den Tisch gelegt, wenn der Fina ein echter Dopingfall vorlag. Ich war zum Beispiel nicht an der Entscheidung beteiligt, wie viele und welche Art von Tests vor der WM gemacht wurden.
Wie haben Sie die Anti-Doping-Politik der Fina in den vergangenen Jahren erlebt?
Man macht mehr als 1994, wo auch in Rom eine WM stattfand.
Mehr - aber auch genug?
Es muss sich verbessern. Nur bei zahlreichen, intensiven und qualitativ guten Kontrollen - Stichwort: Bluttests - lässt sich das Übel in Grenzen halten.
In Rom soll die Fina keine Blutdopingtests vornehmen.
Ja, das hat mich wirklich sehr überrascht.
Es fällt auf, dass es im Schwimmsport, anders als in der Leichtathletik oder im Radsport, noch nie einen wirklich prominenten Dopingfall gab. Woran liegt das?
Der letzte richtig prominente Dopingfall war der der Irin Michelle Smith (dreifache Olympiasiegerin 1996 in Atlanta; sie wurde von der Fina für vier Jahre gesperrt, obwohl die fragliche Urinprobe mit Alkohol kontaminiert war; d. Red.).
Und alle anderen waren sauber?
Das sagen Sie.
Es war eine Frage.
Ich finde, dass ein Sportler, solange es keine Beweise gibt, das Recht hat, als unschuldig betrachtet zu werden.
Selbst Paul Biederman sagt ja, er sei erstaunt gewesen über den zuletzt laxen Anti-Doping-Kampf der Fina.
Wenn ich Biedermann wäre und gefragt worden wäre, ob ich dope, hätte ich geantwortet: Warum stellst du mir diese Frage? Damit wird versucht, jemanden in die Ecke mit den Verdächtigen zu stellen. So etwas würde ich mir verbitten, anstatt darauf zu antworten. Ich würde aggressiv werden und nicht wie er sagen: Ich bin so und so oft getestet worden und nie wurde etwas gefunden.
Zum anderen Problem, den Umgang mit den Rennanzügen: Sehen Sie das mit dem Beschluss, die aktuellen Kunststoffanzüge wieder zu verbieten, als gelöst an?
Ich sehe, dass hier keine richtig klare Antwort gegeben worden ist. Wir leben in einer Welt, in der die Leute gelernt haben, zur Durchsetzung ihrer Interessen gerichtlich vorzugehen. Und ich erkenne noch nicht, dass die Regeln der Fina in diesem Punkt bereits gerichtsfest sind.
Einige Ihrer Kollegen im Weltverband sind ganz aus dem Häuschen wegen der vielen Weltrekorde.
Weltrekorde sind doch die beste Propaganda, die man haben kann. Das hat einen unglaublichen Werbewert. Schließlich kann ich mich nicht gerade gut verkaufen, wenn die Journalisten über 13 Dopingfälle anstatt über Bestzeiten schreiben.
Und deshalb muss das bizarre Spiel weitergehen?
Die Fina wird sich schon bemühen, die Rekordjagd weiter zu beschleunigen. Und das geht nicht, wenn man die Schwimmer wieder in Badehosen steckt. Das Schwimmen wird keine rückwärts laufende Entwicklung nehmen. Es wird vielmehr so weitergehen wie jetzt.
Mit oder ohne Superanzüge?
Die Anzüge gehören dazu.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!