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■ Füssen und das Singspiel vom „Dreamking“Unruhe in Ludwigs Paradies

Füssen (taz) – Der Wecker klingelt! Daß ein paar Ökos dem bayerischen Sänger, der sich immer so für den Naturschutz eingesetzt hat, so an die Lederhose gehen würden, hätte er sich nie träumen lassen. Wie tönte doch der Naturschutzprofessor Hubert Weiger jüngst am Fuße des schönsten aller Königsschlösser: „Wecker gibt sich für einen gnadenlosen Kommerz her, in dem die Landschaft nur noch Kulisse ist.“ Das saß. Dem Focus und „Spiegel-TV“ hat Konstantin Wecker daraufhin verraten, daß er nun keine Lust mehr habe auf das von ihm komponierte „Dream-King“ Musical. „Wer mich nicht will, der kriegt mich auch nicht.“

Als das Musical „Ludwig II. — Sehnsucht nach dem Paradies“ im August der Presse vorgstellt wurde, war Wecker noch so begeistert gewesen, daß er sich in voller Montur vom Oberdeck des Ausflugsdampfers „Allgäu“ in die Fluten des Forggensees stürzte. In jenen Stausee, an dessen Ufer, mitten drin im Landschaftsschutzgebiet, eine eigens gegründete „Dreamking GmbH“ ein 30-Millionen- Projekt verwirklichen möchte. Fünf Jahre lang soll in einem extra errichteten „Festspielhaus“ sich allabendlich als Höhepunkt die Bühnenrückwand öffnen und den Kini zeigen, wie er ins Wasser geht – mit seinem Märchenschloß im Hintergrund am anderen Seeufer. Doch „ein paar Naturfanaten“ („Dreamking“-Chef Stephan Barbarino) wollen diese Idee zunichte machen. Sie wittern Verkehrslawine, Verbauung des Landschaftsschutzgebietes, Bürgerentscheid! Und sie verärgern mit der Kritik die musicalbereiten Hoteliers, Bürgermeister, Stadträte und Touristikexperten von Füssen. Sie wollen sich von „einigen fundamentalistischen Naturschützern“ (Bürgermeister Paul Wengert, SPD) das Projekt noch lange nicht madig machen lassen.

Zehn Vorsitzende aus Einzelhandel, Handwerk, Gewerbe und Gastronomie haben zur Gegenoffensive geblasen und die „Füssener Interessensgemeinschaft Pro Musical“ gegründet. Auch der Leiter des Arbeitsamtes nennt das Projekt „wichtig für den Arbeitsmarkt“. Die Tourismusbranche gilt im Königswinkel als wachstumsfähig. Die zahlreichen Veranstaltungen zum 700jährigen Bestehen der Stadt seien bestes Beispiel, so die Befürworter.

Aber nun wollen die Herrschaften von der „Dreamking GmbH“ nicht mehr. Zumindest nicht mehr in Füssen? Anzeichen dafür gibt es. „Wir haben schon in München die Fühler ausgestreckt“, verrät Barbarino, Ex-Intendant der Hamburger Kammerspiele und Texter des Musicals. „Man kann sich nicht so recht auf den Standort da draußen verlassen.“ Freilich – ganz verabschieden von Füssen will man sich trotzdem noch nicht. In Kürze soll es zu einem Gespräch zwischen Barbarino und Wecker kommen und vielleicht überlegt es sich der Künstler ja dann doch noch — Rückzug vom Rückzug. Das „feeling“, findet Barbarino, wäre schon klasse in Füssen. „Auch wenn man's bei Nebel nicht sieht – das Schloß, es ist einfach da. Man weiß, es ist da und der König ist da. Das ist schon der Reiz, der nötig ist.“ Aber, wie gesagt, wenn es nicht anders geht, dann wird das Sehnsuchts-Musical eben zum Wander-Singspiel, zu „einer dieser Großstadtgeschichten“, meint Barbarino.

Er hatte aus dem Radio vom Wecker-Rückzug erfahren. Im Focus konnte er nachlesen, daß Herr Wecker erstens sauer ist, weil er „nicht in die Dreamking GmbH hineinkam“ und zweitens mit dem Gedanken liebäugelt, sein Musical in den USA aufzuführen.

Auf einer Bürgerversammlung in Füssen lieferten sich am Dienstag abend Gegner und Befürworter des Projekts hitzige Diskussionen. „Umweltzerstörer“ seien die „Königstreuen“ – „Dünnbrettbohrer“ und „Erbsenzähler“ die „Aufständischen“. Wie die Mehrheitsverhältnisse unter den 13.500 Einwohnern aussehen, ist noch nicht geklärt. Auf der Versammlung im Kurhaus waren die Ja-Sager in der Überzahl. Die Sache mit dem Wecker, dem König und dem See bleibt also spannend. Klaus Wittmann

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