Für Kitas fehlen Fachkräfte: Erzieherinnen sind Mangelware
Zur besseren Kinderbetreuung sollen 1.800 neue Stellen geschaffen werden. Doch die Fachkräfte sind rar. Senat will auch Personal ohne Fachausbildung arbeiten lassen.
Neben dem wöchentlichen Speiseplan für die Kleinen klebt die Stellenanzeige für die Großen. Erzieherin gesucht. Wenn die Kitas NordOst neues Personal für die 77 kommunalen Einrichtungen in Pankow, Lichtenberg und Marzahn-Hellersdorf suchen, müssen sie alle Register ziehen. "Wir haben Anzeigen geschaltet und Aushänge in den Fachhochschulen gemacht", sagt Rainer Schubert von Kita NordOst, dem größten der fünf Berliner sogenannten Eigenbetriebe. Schließlich konnten alle Stellen besetzt werden: Aber: "Wir hatten leidlich Probleme", sagt Schubert. "Es ist wirklich sehr schwierig, Personal zu bekommen."
Und es wird noch schwieriger werden. Denn der rot-rote Senat will in den kommenden drei Jahren schrittweise 1.800 Stellen für eine bessere Kitabetreuung schaffen. Mit 84 Millionen Euro ist die Maßnahme inzwischen finanziert. Doch woher qualifizierte ErzieherInnen kommen sollen, bleibt unklar.
Bereits jetzt zeichnet sich nach Angaben der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) ein hoher Fachkräftemangel ab. "Das kann noch zum größeren Problem werden", sagt Bärbel Jung, Referentin für Kinder- und Jugendhilfe bei der GEW. Zwar werden jährlich zwischen 900 und 1.000 ErzieherInnen ausgebildet. Doch viele der derzeitigen Kolleginnen seien so alt, dass sie bald in Rente gingen, sagt Jung. "Da ist ein hoher Bedarf an Erzieherinnen."
Nach dem frischen Personal lechzen aber auch die Schulen. Unter den 5.000 HorterzieherInnen sind ebenfalls viele, die demnächst in den Ruhestand gehen. Schuberts Kita NordOst wirbt deshalb schon jetzt an den Fachhochschulen um künftige KollegInnen, lange bevor die ihren Abschluss in der Tasche haben.
Auch Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) hat das Dilemma erkannt: "Das Land muss mehr Anstrengungen unternehmen, die Ausbildungskapazität dem Bedarf anzupassen", sagte Zöllner kürzlich. In diesem Jahr wurden sieben zusätzliche Klassen und vier weitere Fachhochschulen eröffnet, eine weitere soll im kommenden Jahr folgen. Nur: Für den Arbeitsmarkt stehen diese ErzieherInnen frühestens ab 2011 bereit.
Deshalb setzt der Senat auf eine weitere Maßnahme: Statt die dreijährige Ausbildung zu durchlaufen, sollen "geeignete pädagogische Fachkräfte" nur die Prüfung als ErzieherIn absolvieren und dann dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Für die GEW geht das allerdings genau in die falsche Richtung: Eher müsse die Ausbildung verbessert werden; auf keinen Fall dürfe das Land das jetzt schon niedrige Niveau noch weiter absenken oder gar unausgebildetes Personal einstellen. "Den Anforderungen in einer Kita kann man so nicht gerecht werden", sagt Jung. Der Beruf werde, klagt die GEW, nach wie vor nicht ernst genommen. "Es herrscht die Vorstellung, eine Erzieherin müsse nur mit den Kindern spielen", sagt Jung.
Sie wünscht sich deshalb vor allem mehr Anerkennung für ErzieherInnen. Und: die Arbeit müsse attraktiver werden.
In der Tat gehen viele Absolventinnen nach ihrer Ausbildung nicht in den Job, sondern nehmen den Abschluss als Sprungbrett in ein anderes Studium. Zu schlecht sind Arbeitsbedingungen und Bezahlung - vor allem in Berlin. Nach fünf Jahren Berufserfahrung verdient eine 27-jährige verheiratete Erzieherin mit einem Kind knapp 2.000 Euro Brutto - wenn sie voll arbeitet. Überall in Deutschland bekäme sie mehr, selbst in Brandenburg würde ihr Gehalt gut 300 Euro höher ausfallen.
Die südlichen Bundesländer suchen, so Jung, derzeit händeringend nach Personal, mit dem staatlich geforderten Ausbau der Krippenplätze sei auch dort "ein riesengroßer Bedarf" entstanden. Anders als in Berlin würde dort auch gut für den Job als ErzieherIn geworben.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!