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■ Fünf griechische Albaner wurden zu Haftstrafen verurteiltGefährlicher Rückgriff

Im südlichen Balkan, weit hinter den bosnischen Schlachtfeldern, hat sich längst ein neuer Konfliktherd entwickelt. Ein Gerichtsurteil in Tirana – langjährige Haftstrafen für fünf Angehörige der griechischen Minderheit – wirft nun ein Schlaglicht auf eine Region, die enormen Sprengstoff in sich birgt. Die Folgen des rechtsstaatlich fragwürdigen Prozesses sind absehbar: Griechenland, das in den letzten Wochen an die 30.000 Albaner ausgewiesen hat, wird seine Politik gegen die ungeliebten Wirtschaftsflüchtlinge noch verschärfen.

Gewiß hat die griechische Regierung nicht die Absicht, Gebiete des nördlichen Nachbarstaates zu erobern. Aber gegen die von orthodoxen Priestern im griechischen Grenzgebiet betriebenen Radiostationen, die unverblümt den Anschluß von „Nordepirus“, der südlichen Hälfte Albaniens, fordern, unternimmt sie nichts. Gewiß gibt es an der Politik Tiranas gegenüber der ethnischen Minderheit im Land vieles zu bemängeln. Aber immerhin haben die Griechen Albaniens eigene Zeitungen, eine eigene Partei, eigene Schulen und verbriefte, wenn auch unvollkommen verwirklichte Rechte, von denen die slawische Minderheit Griechenlands nur träumen kann.

Doch nun setzt auch die Regierung in Tirana zunehmend auf die nationalistische Karte. Die Gründe liegen auf der Hand: Die gewendeten Kommunisten sind in der Opposition wieder zur stärksten Partei geworden und die wirtschaftliche Belebung des vor wenigen Jahren vollkommen zerrütteten Landes kommt nur mühsam in Gang. Der Rückgriff auf eine nationalistische Politik aber bedroht nicht nur die Griechen im Süden des Landes, sondern die Stabilität der Region schlechthin, denn die Hälfte der Albaner wohnt außerhalb Albaniens, vor allem im serbisch besetzten Kosovo und im Westen Makedoniens.

Einer Destabilisierung des südlichen Balkans sind bereits Tür und Tor geöffnet. Serbien, das schon Kroatien und Bosnien mit Krieg überzogen hat, könnte den Konflikt jederzeit gegen Süden ausweiten. Die Machthaber in Belgrad bräuchten bloß eine Fluchtwelle von Kosovo-Albanern Richtung Makedonien und Albanien zu provozieren. Griechenland zeigt seit Jahren, daß es die makedonische Frage offenhalten will. Die Regierungen der beiden orthodoxen Staaten beschwören gern die Gefahr eines islamischen Bogens, der von Bosnien über Albanien bis in die Türkei reicht. Das Urteil von Tirana wird nun dieses Bild bestätigen. So bietet es jenen Kräften Nahrung, die suggerieren, ein Frieden auf dem Balkan sei letztlich nur durch Neuziehung von Grenzen entlang ethnischer Kriterien möglich. Und wo die ethnischen Grenzen unklar sind, wie fast überall auf dem Balkan, wird dann eben „gesäubert“. Thomas Schmid

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