: Frustrierte gibt es auch im Westen
betr.: „Stoiber baut die Mauer wieder auf“ u. a., taz vom 12. 8. 05
Hut ab, Herr Stoiber, endlich sagt mal einer, wie es ist. Ich verstehe auch nicht die Empörung über Ihre Forderung, dass nicht die frustrierten Ossis über den künftigen Kanzler bestimmen sollen.
Ich frage mich sogar, warum sollen die im Osten überhaupt ein Wahlrecht haben? Es ist dort doch bereits 1990 und danach alles gegessen worden. Das Volkseigentum, meines auch, ist in den Besitz von Banken übergegangen, Industrie, die als Konkurrenz hätte auftreten können, wurde platt gemacht, das miefige föderale System der Administration der BRD wurde uns statt als Freiheitsglocke wie eine Käseglocke über die neu annektierten ostelbischen Lande gestülpt. Aus geschichtlicher Erfahrung weiß ich, dass nach der Kolonisation erst viele Jahre vergehen müssen, bis die Demokratie Einzug hält. Warum also noch wählen?
Sie haben Recht, es gibt nicht überall so kluge Menschen wie in Bayern. Ich habe kürzlich einen Bayern kennen gelernt, der war wirklich überdurchschnittlich klug (solche wünschte ich mir auch mehr in Thüringen). Allerdings hat der Sie zum Teufel gewünscht. Kann es sein, dass Ihre Fans nur an Stammtischen zu finden sind?
Schade, dass Sie als Bayer sich nicht mit einem Preußen zusammentun können bzw. dass Sie keinen neben sich dulden. Mit dem Schausteller (ehemaliger Kommisskopp) Schönbohm würde man mit Ihnen zusammen ein richtiges Kabarett bieten können. Wäre doch effektiver, als jetzt so als Alleinunterhalter. Mann, ich stelle mir das schön vor: Die Merkel macht 20.15 Uhr einen Wahlauftritt, bei dem es ihr mühsam gelingt, mit dem Zauberwort „Arbeitsplätze“ etwas Glaubwürdigkeit zu bekommen, und anschließend reißen Sie und Schönbohm um 21 Uhr alles mit Ihrer verbalen Arschdidaktik wieder ein. Ja, ich weiß ja, dass Sie immer noch mit dem Kanzlerposten liebäugeln. Aber den schminken Sie sich mal ab, da ist immer noch Koch davor.
Auf jeden Fall, machen Sie bitte, bitte weiter so, ich zähl auf Sie, wir brauchen dann keine Aufkleber „Stoiber verhindern!“ mehr. Ich gehe zwar davon aus, dass Sie als selbst ernannter kluger Bayer auch das große Latinum haben, aber vielleicht vergisst man das über Börsenkursen, deshalb liefere ich die Übersetzung mit: Quidquid agis, prudenter agas et respice finem! – Was immer du tust, das tue klug und schau auf das Ende! Achten Sie vor allem auf Ihr Ende.
HARALD PAPENFUSS, Erfurt
Bevor jetzt die ganze geballte Wut über uns Bayern hereinbricht, erlaube ich mir (geborener Münchner und damit auch Bayer), einige Sätze zu Stoibers Kritik am Osten. Stoibers Aussagen kommen nicht überraschend. Wir Bayern sind ganz einfach überall die Besten: in der Wirtschaft, in der Erziehung, im Fußball. Wir haben das beste Wetter und die höchsten Berge. Und wir sind auch die besseren Katholiken und haben jetzt unseren eigenen Papst.
Und wem haben wir das alles zu verdanken? Der besten aller deutschen Parteien, der Bayerischen CSU und ihrer Lichtgestalt Edmund Stoiber. Da ist es doch ganz normal, dass unser Ministerpräsident, uns, seine bayerischen Bürger, auch für besser und klüger hält als andere.
Ich nehme für mich nicht in Anspruch klüger zu sein, aber doch klug: Ich habe, obwohl Bayer, noch nie CSU gewählt, und ich bin stolz darauf. Also bitte nicht alle Bayern verdammen, die Hälfte der bayerischen Bevölkerung wählt nicht CSU. PETER SCHIPFER, Grünwald
Den Leuten, die ihre Stimme abgeben, gebührt Verachtung, zumal wenn sie das für die Verkehrten tun. Wenn ganze Regionen das tun, gebührt ganzen Regionen Verachtung: So viel Rassismus muss sein.
Was die Demokratie ganz unbedingt braucht, das ist ein richtiger Führer mit Weitblick (wie er selbstredend, Stoiber sei Dank, nur bei der CSU zu finden ist), dafür braucht es selbstverständlich echte Führer-Eigenschaften. Hierfür taugen „Frau“ und „Ossi“ ganz, ganz wenig. Und Stoiber ist selbstbewusst genug, das alles ganz offen zu sagen. So viel Leitkultur nimmt er sich einfach heraus. Schade nur, dass Stoibers Klartext nicht als Wahrheit über die tolle Staatsform Demokratie genommen wird, sondern postwendend in die Schlammschlachten des Wahlkampfes zurückgeworfen wird. Aber vielleicht machen es ja gerade die Schlammschlachten der Demokratie aus, dass sich unverwüstliches Stimmvieh so heimelig wohl in ihr fühlt. WOLFGANG RICHTER, Augsburg
Ich wohne in Bayern, rechne mich zum intelligenteren Teil Bayerns und verwahre mich nachdrücklich dagegen, von der Partei CSU gegen meine Mitbürger im übrigen Deutschland instrumentalisiert zu werden. Im Übrigen hat die CSU entgegen anderslautenden Behauptungen nicht die Alpen erfunden. THOMAS MEYER, München
Eine Politik die sich nur noch „Sachzwängen“ beugt und sich von der „Weltwirtschaft“ das Ruder aus der Hand nehmen lässt, Arbeitslose, die für den Mangel an Arbeitsplätzen bestraft werden, EU-Gesetzgebung, die wir „leider umsetzen müssen“ (regieren wir da nicht irgendwie mit?), eine Opposition, die im Bundesrat auf der Bremse steht und selbst völlig ideenlos daherkommt, zwei „Volksparteien“, die sich so sehr um die Mitte balgen, dass sie dem Wähler nur noch die Alternativen „schlecht“ und „noch schlechter“ anbieten, da kann schon Frustration aufkommen.
Genau auf diese Frustration hat die CDU ja auch gesetzt, daher ja auch die Strategie, bloß keine klaren politischen Aussagen zu machen, die könnten die Wähler ja höchstens verschrecken. Schließlich reicht es der CDU völlig aus, wenn die frustrierten SPD-Stammwähler zu Hause bleiben und die Mitte alles tut, um noch vier Jahre „weiter so“ abzuwählen. Da kann es Stoiber natürlich nicht in den Kram passen, dass sich all diesen Frustrierten nun plötzlich mit der Linkspartei eine neue Alternative bietet.
Bisher hieß es Rot-Grün oder Schwarz-Gelb und der Wahlkampf der CDU beschränkte sich darauf, dass alle Nicht-Rot-Grün-Wähler automatisch Nichtwähler oder Schwarz-Gelb-Wähler sind. Nun kommt die Linkspartei daher und plötzlich sieht die Sache ganz anders aus. Nun muss sich die CDU doch tatsächlich ein bisschen anstrengen, um die Wahl zu gewinnen. Womöglich müssen sie sich gar zu einem politischen Programm bekennen. Nicht auszudenken!
RALF BERGER, Aachen
Die Redaktion behält sich Abdruck und Kürzen von LeserInnenbriefen vor.Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der taz wieder.