hamburger szene : Frühlingsfrust
Übers Wetter reden soll man ja nicht. Nur, um unangenehme Pausen zu überbrücken. Oder mit Touristen, die sich über Regen freuen, weil er „ach so typisch“ für Hamburg ist. Aber manchmal muss es sein. Wenn das Wetter gemein ist und einem ganz übel mitspielt.
Nämlich wenn es zum Fenster hineinkriecht und mir verführerisch ins Ohr säuselt, ich solle doch hinauskommen und die wunderbare Frühlingsluft schnuppern – aber bitteschön sofort. Ich habe noch am Schreibtisch zu tun. Morgen. Morgen ist alles anders. Dann werde ich mich genüsslich dem Lockruf hingeben. Auf dem Nachhauseweg gehe ich mit einem Lächeln auf den Lippen an den überfüllten Straßencafés der Schanze vorbei. Morgen werde ich auch hier sitzen, mit fremden Hintern um jeden Zentimeter Bierbank rangeln. Auch die sonnenbadenden Menschen im Schanzenpark lasse ich schmunzelnd links liegen – morgen werde ich dazugehören. Ein Traum in grün, der in Hamburg meist ein jähes Ende findet.
Denn am nächsten Tag zeigt der April sein wahres Gesicht. Da ist es nass, diesig und grau. Auf den Bierbänken bilden sich Pfützen und die Frühlingsgefühle gehen wieder schlafen. In diesem Moment wird mir schlagartig klar: Ich wurde vom Wetter gelinkt. Schamlos hat es die Hormone ausgetrickst. Von hundert auf null.
Aber beim nächsten Sonnenstrahl wird alles anders. Vorfreude war gestern. „Machen!“ ist heute. Anja Tiedge