Frühe Diagnose bei Alzheimer möglich: Da war doch was?
Immer noch unheilbar: Alzheimer. Nicht mal die Ursache für die Krankheit ist bekannt. Mit Hilfe von Biomarkern kann sie inzwischen aber früh diagnostiziert werden.
Schon seit längerer Zeit hatte Sabine K. das Gefühl, dass mit ihr etwas nicht stimmte. An Ereignisse, die erst vor einigen Tagen passiert waren, konnte sie sich nicht erinnern. Auch Telefonnummern waren nicht immer präsent. Als sie nach einem anstrengenden Tag vor ihrem Computer saß, erschrak sie zutiefst: Zwar erkannte sie die Namen der E-Mail-Absender, wusste aber nicht mehr, wer sie waren. Was war bloß los mit ihr? War es Alzheimer?
Sicher ließ sich die Erkrankung bislang nur nach dem Tod durch eine mikroskopische Untersuchung von Hirngewebe nachweisen. Dabei sind die sich im Gehirn abspielenden Prozesse, die zum klinischen Bild der Alzheimer-Erkrankung führen, schon Jahrzehnte vorher erkennbar. Inzwischen kann man diese Hirnveränderungen aber auch mit Biomarkern feststellen.
Im Gehirn von verstorbenen Alzheimer-Patienten fallen bei der mikroskopischen Untersuchung zwei krankhaft veränderte Eiweißansammlungen auf: Man findet zum einen zwischen den Nervenzellen Plaques aus Beta-Amyloid-Proteinen, zum anderen lagern sich in den Zellen Faserbündel aus sogenannten Tauproteinen ab. Noch immer ist nicht klar, wie diese Veränderungen im Gehirn und die Krankheitssymptome miteinander zusammenhängen.
Dass ein Zusammenhang zwischen diesen Veränderungen und der Erkrankung besteht, ist jedoch sicher. Inzwischen ist es gelungen, ein spezielles bildgebendes Verfahren zu entwickeln, das die Amyloidablagerungen sichtbar macht.
Pittsburg Compound B
Bereits 2004 wurde an der Universität Pittsburgh, im US-Bundesstaat Pennsylvania, eine Substanz synthetisiert, die als „Pittsburgh Compound B“ bezeichnet wird. Diese Substanz lagert sich an die Amyloidablagerungen im Gehirn an. Mit radioaktivem Kohlenstoff markiert, kann „Pittsburgh Compound B“ Amyloidablagerungen auch im Gehirn eines lebenden Menschen sichtbar machen.
Hierbei setzen Mediziner die Positronenemissionstomografie (PET) ein. Der radioaktive Kohlenstoff im „Pittsburgh Compound B“ sendet Strahlen aus, die von einem PET-Scanner detektiert werden können. Ein Computer berechnet hierzu ein Bild, das die Plaques dann sichtbar macht. Bei nahezu allen Patienten, bei denen sich auf diese Weise Plaques nachweisen lassen, finden sich außerdem auch erniedrigte Konzentrationen eines bestimmten Beta-Amyloid-Proteins – des Beta-Amyloids 1-42 – in der Rückenmarksflüssigkeit.
Bei der Alzheimer-Erkrankung sterben Nervenzellen ab. Hierbei werden auch Tauproteine freigesetzt. Möglicherweise erschweren die senilen Plaques die Beseitigung der Tauproteine, und sie häufen sich im Gehirn an. Auch diese Veränderung ist messbar: Bei Alzheimer-Patienten ist die Taukonzentration in der Rückenmarksflüssigkeit erhöht.
Erhöhte Taukonzentrationen in der Rückenmarksflüssigkeit sind nicht spezifisch für Alzheimer, stehen bei dieser Erkrankung jedoch in enger Beziehung zum Schweregrad der klinischen Symptomatik.
Phosphotau im Rückenmark
Ein weiter Indikator für den Nervenzelluntergang ist das Phosphotau in der Rückenmarksflüssigkeit. Enzymstörungen führen dazu, dass sich Phosphormoleküle an Tauproteinen anheften. Erhöhte Phosphotauwerte wurden bislang nur bei Alzheimer-Patienten beobachtet, sodass dieser Biomarker sehr wichtig ist.
Eine sichere Diagnosestellung entlastet die meisten Betroffenen. Sie möchten wissen, was mit ihnen los ist, möchten Gewissheit haben. Falls die Befürchtungen zutreffen, wollen die Erkrankten die ihnen noch verbleibende Zeit nutzen, um ihr Leben bis zum letzten Moment genießen zu können und ihre Zukunft im Hinblick auf die ständig fortschreitende, noch unheilbare Erkrankung zu planen.
Viele können auch befreit aufatmen, weil sie nun sicher wissen, dass sie nicht an Alzheimer erkrankt sind. Schließlich kommen Vergesslichkeit, Stimmungsschwankungen oder Schlafstörungen auch bei anderen Erkrankungen vor oder bei gestressten Gesunden.
Auch für die behandelnden Ärzte ist eine möglichst frühzeitige Diagnose nützlich, um zu versuchen, das Fortschreiten der Erkrankung wenigstens zu verzögern. Noch empfehlen die neurologisch-psychiatrischen Fachgesellschaften nur, Biomarker erst dann anzuwenden, wenn die klinische Abgrenzung der Erkrankung unsicher ist.
Tests zur Diagnostik
Daher führen die Ärzte als Erstes einige Tests durch. Dabei soll sich der Patient zum Beispiel eine Reihe von Wörtern merken oder auf einem Ziffernblatt eine bestimmte Uhrzeit einzeichnen. Diese Untersuchungen sind hilfreich bei der Diagnostik. Allerdings kann ein schlechtes Testergebnis auch auf einer Depression oder einer anderen Gehirnerkrankung beruhen. Menschen, die bislang ein besonders gutes Gedächtnis haben, können andererseits fälschlicherweise für gesund erklärt werden – obwohl bereits krankhafte Veränderungen im Gehirn begonnen haben.
Technische Hilfsmittel sollen die Diagnose unterstützen. Hierzu zählt die Computertomografie, bei der die Hirnstrukturen per Röntgenstrahlen durchleuchtet werden. Eine Alzheimerkrankheit kann jedoch nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden. Die Röntgenbilder sollen vielmehr andere potenzielle Ursachen für die Vergesslichkeit ausschließen, etwa einen Hirntumor.
Es ist davon auszugehen, dass Biomarker in Zukunft eine immer größere Bedeutung gewinnen werden. Denn sie tragen dazu bei, den zeitlichen Verlauf der krankhaften Veränderungen im Gehirn besser erkennen zu können. Dies ist nicht nur für die Diagnostik, sondern auch für die Ursachenforschung und die Entwicklung neuer Medikamente von Bedeutung.
Ursache ungeklärt
Noch ist die Ursache der Alzheimer-Erkrankung weitgehend ungeklärt. Nur in seltenen Fällen ist sie genetisch bedingt. Diese Patienten leiden bereits ab dem 30. Lebensjahr an Gedächtnisschwund und Sprachstörungen. Wegen der vielen offenen Fragen zur Entstehung der Alzheimer-Krankheit ist man noch weit davon entfernt, eine wirksame Therapie anbieten zu können. Das „Zirkeltraining für das Gehirn“ soll Betroffene länger fit halten. Dabei bearbeiten Angehörige mit dem Patienten immer wieder wechselnde Aufgaben, um alle Bereiche der geistigen Leistungsfähigkeit zu trainieren. Ferner versucht man, das Voranschreiten einer leichten bis mittelschweren Demenz medikamentös zu verzögern.
So kommt es bei der Alzheimer-Erkrankung zu einem Untergang bestimmter Nervenzellen mit dem Botenstoff Acetylcholin. Dies führte zur Erprobung von Cholinesterase-Hemmern, die dem Abbau von Acetylcholin entgegenwirken, sodass Nervenzellen mit dem Botenstoff Acetylcholin verstärkt stimuliert werden. In der Tat soll sich bei manchen Patienten so die kognitive Leistung verbessern und das Fortschreiten der Erkrankung verzögern lassen.
Inzwischen geht es Sabine K. erheblich besser. Die Biomarker hatten letztendlich gezeigt, dass Sabine nicht an Alzheimer erkrankt war. Die Veränderungen beruhten vielmehr auf einem Burn-out.
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