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„Friends from College“ zeigt das Leben nach dem SpaßGefangen in Manieren, Masken und Lügen

Die Couchreporter Heute: Jenni Zylka

Gerade läuft „Girl’s Night Out“ im Kino. Darin treffen sich alte Collegefreundinnen nach Jahren wieder, weil eine den Junggesellinnenabschied der anderen plant, samt Penis-Strohhalmen, Penis-Sonnenbrillen und weiterem geschmackssicheren Gedöns. Neben vielen großartigen Reverse-Sexismus-Gags geht es vor allem um: Freundschaft. Collegefreundschaft. Anscheinend eine der Lieblingsfreundschaften der US-amerikanischen Unterhaltungsindustrie. Im College, so sieht man es immer in Kino und Fernsehen, da ging noch was, da hat man noch geträumt und gelebt, was das Zeug hält. Und wann immer man die alten Freund*innen aus dieser Zeit wiedertrifft, wird einem bewusst, was man verlor.

Auch Nicholas Stollers und Francesca Delbancos Netflix-Serie „Friends from College“ trägt ihr großes Thema im programmatischen Titel: Eine sechsköpfige College-Clique kommt sich nach 20 Jahren wieder näher. Allerdings haben sich einige während der Jahrzehnte in Wahrheit kaum aus den Augen, geschweige denn aus dem Sinn verloren: Ethan, der kinderlos mit seinem College-Sweetheart Lisa verheiratet ist, pflegt seit 20 Jahren sein heimliches Verhältnis mit Samantha, ebenfalls verheiratet, aber mit Kindern. Zur Truppe gehören auch die freigeistige Maryanne, der mit seinem Partner glückliche Max und der beziehungsängstliche Belami Nick. Weil Ethan und Lisa zurück nach New York ziehen, wird das Beziehungsgeflecht innerhalb der Clique heftig zum Schwingen gebracht: Lisa und Ethan versuchen, durch künstliche Befruchtung ein Kind zu bekommen, während Ethans und Sams Liaison immer problematischer wird. Und Max’Freund hat irgendwann genug von den Collegebuddies seines Partners, deren Partyallüren stets in rituellen Albernheiten und Fake-Fun münden.

Stollers und Delbancos Prämisse ist eine tragische und darum fesselnde: Sie porträtieren sechs mehr oder minder gescheiterte Existenzen, die in festen Netzen aus Manieren, Masken und Lügen gefangen sind. Das College, stellt sich schnell heraus, war nicht der Beginn eines wunderbaren, mit Chancen nur so gespickten Lebens, sondern das letzte Mal good clean fun vor der genüsslichen sozialen und/oder persönlichen Abwärtsspirale. Und ihr Scheitern, das weiß jede*r, ist einer der Hauptgründe, eine Figur so richtig ins Herz zu schließen.

Doch leider brauchen die Autor*innen ein wenig zu lang und ein paar Gags zu viel, um zum Kern zu gelangen. So muss man sich durch ewige Folgen mit dem überkandidelt grimassierenden Ethan (sauber gespielt von Keegan-Michael Kay) und der genervten Lisa (Cobie Smulders aus „How I met your mother“) schauen, bis man ein bisschen Empathie für eine*n von beiden in sich finden kann. Auch wenn es immer wieder schön böse Ideen gibt, zum Beispiel die ultrasexistische Schlangengrube eines Hedgefonds, für den Lisa arbeitet.

Immerhin schaut man all den nervös-aufmerksamen DarstellerInnen gern bei ihren Redegewittern zu, beim Sich-Betäuben sowieso. Denn dafür steht die Collegezeit in der Historie der amerikanischen Gesellschaft ebenfalls: dass man einst Saufen konnte, bis der Arzt kommt. Heute geht das nicht mehr so gut. Andererseits: So what? Groß ist die Macht der Gewohnheit.

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