usa/iran : Friedlichkeit aus Pragmatismus
Das neue Jahr beginnt mit einem hoffnungsvollen Bild: Amerikanische Hilfsorganisationen errichten im tiefen Feindesland, in der zerstörten iranischen Stadt Bam, Zelthospitäler und Notunterkünfte. Überall sind US-Fahnen aufgedruckt. Niemand will sie verbrennen. Iraner heißen stattdessen Amerikaner willkommen. Die islamische Welt sieht plötzlich eine helfende, keine kriegerische Supermacht.
KOMMENTAR VON MICHAEL STRECK
Die Wucht der Naturkatastrophe und ihrer menschlichen Tragödie erreichte offenbar auch die politischen Starrköpfe in Teheran und Washington. Die Bush-Regierung sendet auf einmal an den von ihr als Teil der „Achse des Bösen“ gebrandmarkten Iran versöhnliche Signale. Außenminister Colin Powell spricht von „ermutigenden Zeichen“, nachdem auf die Bereitschaft Teherans, sein Atomprogramm offenzulegen, jüngst noch sehr unterkühlt reagiert wurde. Die USA wollen nunmehr sogar ihr Handelsembargo für die Hilfsgüterlieferungen lockern. Und der iranische Präsident Chatami verkündete, es gebe eigentlich gar keine Feindschaft zwischen seinem Land und den USA.
Als ob er selbst erschrocken über diesen Satz gewesen sei, verkündete er sogleich, dass die Erdbebenhilfe aber an den grundlegenden Beziehungen zu Washington nichts ändern werde. Die US-Regierung wiederum forderte, dass der Iran zuerst seine mutmaßliche Unterstützung für Terroristen und sein Nuklearprogramm aufgeben müsse. Nach 25 Jahren Eiszeit ist Tauwetter nicht über Nacht zu erwarten. Zudem gilt: Not drängt Ideologie zuweilen in den Hintergrund.
Die US-Hilfe bedeutet daher nicht zwingend einen Politikwechsel. Und doch passen die Reaktionen aus Washington in ein neues Muster: Diplomatie statt Raketen. Die USA haben sich mit dem Irak übernommen. Bush hat alle Hände voll zu tun, das besetzte Zweistromland zu stabilisieren und den anhaltenden Guerillakrieg als Erfolg seiner Demokratisierungsstrategie für den Nahen Osten zu verkaufen. Weitere außenpolitische Abenteuer kann er sich im Wahljahr nicht leisten. Zudem fehlen ihm für weitere Militäreinsätze schlichtweg Geld, Soldaten und die Zustimmung im Volk.
Andere Fronten werden also durch Verhandlungen entschärft – siehe Libyen, Syrien oder Nordkorea. Auch im Falle des Iran ist nun ein konzilianter US-Präsident zu erleben. 2004 könnte ein friedlicheres Jahr als 2003 werden – nicht aus Überzeugung, sondern aus Pragmatismus.
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