Friedlich oder Terrorcamp-Besucher?: Streit um Guantánamo-Uiguren
Wie gefährlich sind die uigurische Guantanamo-Häftlinge, die Deutschland aufnehmen soll? Darüber beraten ab Donnerstag die deutschen Innenminister und die der EU.
BRÜSSEL/BERLIN taz | Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) gibt den Hardliner. Vor der Innenministerkonferenz, die am Donnerstag in Bremerhaven beginnt, warnte er vor der "pauschalen Aufnahme" von Guantanamo-Häftlingen. "Die Uiguren, die wir aufnehmen sollen, waren alle in Terrorcamps", zitiert ihn die Welt.
Tatsächlich hat auch Schünemann keine genauen Informationen. Die Welt habe den Minister "zugespitzt" zitiert, sagte ein Sprecher zur taz. "Ein oder zwei der inhaftierten Uiguren haben zugegeben, dass sie in Terrorlagern waren, bei den anderen kann man das zumindest vermuten. Immerhin wurden sie ja in Afghanistan aufgegriffen".
Die Uiguren sind eine chinesische Minderheit, denen in China Separatismus vorgeworfen wird. Von den noch rund 240 Guantanamo-Häftlingen sind 17 Uiguren. Ein US-Gericht hat Ende 2008 festgestellt, dass ihre Haft ungesetzlich ist und sie freigelassen werden müssen. Weil es in den USA politischen Widerstand gegen die Aufnahme der Männer gibt und ihnen in China politische Verfolgung droht, sucht US-Präsident Barack Obama nun Aufnahmeländer.
Anfang Mai erhielt die Bundesregierung eine Wunschliste mit den Namen von neun Uiguren, die Deutschland bitte aufnehmen soll. Die Innenministerkonferenz wird die Frage heute vermutlich erneut vertagen. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte weitere Informationen angefordert.
Die Anwälte der Uiguren sehen ihre Mandanten in ein falsches Licht gerückt. "Keiner der Uiguren hat eine Ausbildung in einem Terrorcamp durchlaufen", betonte der New Yorker Anwalt Eric A. Tirschwell. Sie hätten allenfalls mal mit einer Kalaschnikow geschossen, als sie in Afghanistan in einem Flüchtlingsdorf lebten. In einem Land, in dem es mehr Kalaschnikows als Menschen gebe, sei das "nicht bemerkenswert", betonte der Anwalt. Er verweist auf fünf Uiguren, die schon 2006 frei gelassen wurden und seither in Albanien "ein friedliches Leben führen".
Parallel zur Konferenz der deutschen Innenminister, berät auch der EU-Ministerrat. Die europäischen Innenminister wollen sich in Luxemburg ebenfalls auf eine gemeinsame Linie zu Guantanamo verständigen. Dabei geht es aber nur um eine Grundsatzerklärung, in der Obama in allgemeiner Form Unterstützung zugesagt wird.
Man wünsche sich "eine engere transatlantische Zusammenarbeit im Bereich der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, die auf gleichen Werten beruht", heißt es im Entwurf für die Erklärung, der der taz vorliegt. Die Frage, ob und wie viele entlassene Guantanamo-Häftlinge ein Land aufnimmt, entscheidet allein das jeweilige Mitgliedsland.
Da sich aber Zuwanderer aus Drittstaaten innerhalb des Schengenraums frei bewegen können, soll es einen engen Informationsaustausch zwischen den EU-Ländern geben. Ein Land, das Häftlinge aufnehmen will, fragt zuvor bei Europol und anderen Datenbanken an, ob es über diese Personen negative Erkenntnisse gibt. Später soll eine Arbeitsgruppe des Rates den Personenkreis weiter im Blick behalten. Einigen Mitgliedsstaaten, darunter Deutschland, gehen diese Garantien nicht weit genug.
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