: Frieden zu verkaufen
Aus Friedenssymbolik lässt sich gerade in Zeiten des Krieges gut Kapital schlagen
aus Berlin MATTHIAS BRAUN
Lukasz Gadowskis Verhältnis zum Irakkrieg ist professioneller Natur. Der 25-jährige Jungunternehmer aus Leipzig vertreibt seit rund einem Jahr bedruckte T-Shirts, Boxershorts und Basecaps via Internet. „Dass wir jetzt Friedenssymbole anbieten, ergibt sich aus unserem Geschäftsmodell“, doziert der Student, der sich an der privaten Handelshochschule in Leipzig gerade zum Betriebswirtschaftler diplomiert. Und das Geschäftsmodell seiner Firma „Spreadshirt“ ist, die Alltagsmode jugendlicher Kunden zu jedem gesellschaftlichem Trendthema rechtzeitig mit den passenden Bekenneraufdrucken auszustatten. Die letzten Kampagnen von Spreadshirt liefen zum bundesdeutschen Wahlkampf, zu Halloween und zu Weihnachten. Jetzt also zu Krieg und Frieden. Eine „reine Businessentscheidung“ nennt Gadowski das. Die hat sich für ihn gelohnt. In anderthalb Monaten verkaufte sein kleines Unternehmen rund 500 friedenskompatible Kleidungsstücke. Bei Spreadshirt klingelt die Kasse.
Dass die Kriegsdividende nicht unbedingt in private Taschen fließen muss, zeigen zwei andere T-Shirt-Initiativen. Das Berliner Modelabel „Virus Berlin“ zahlt pro verkauftes Shirt 1 Euro an die Hilfsorganisation „World Vision“. Und der Leipziger Secondhandladen „Miss Hippie“ stattet die sächsischen Montagsdemonstranten mit bedruckten Bundeswehr-Shirts zum Selbstkostenpreis aus. „Das ist, was wir angesichts des Irakkriegs tun können“, sagt Inhaber Karsten Reichmann.
Egal ob die T-Shirt-Verkäufer ihren persönlichen Gewinn oder das allgemeine Wohlbefinden im Auge haben – der professionalisierte Symbolvertrieb lässt Peacezeichen und Friedenstaube von den Wangen und Transparenten demonstrierender Schüler auf deren Kleidung wandern. Nachdem der Irakkonflikt zu einem heißen Krieg eskaliert ist, beginnen die Friedenssymbole zu modischen Accessoires zu erkalten. „Noch laufen viele mit selbst bemalten T-Shirts herum“, sagt ein Händler, „ wir wollen den Leuten Qualität bieten.“
Das geht natürlich nur, wenn sich das geschäftliche Risko kalkulieren lässt. Zwangsläufig avancieren jene Ikonen zu Verkaufsrennern, über deren Bedeutung der größtmögliche Konsens herrscht. „Friedenstaube und Peacezeichen gehen sehr gut“, meldet Spreadshirt. Dem Humor verpflichtete Aufdrucke wie „Hey Dude, playing cowboy sucks“ oder „Bombing for peace is like fucking for virginity“ sind weit weniger gefragt. Für den offiziellen Alltagsauftritt setzt die Kundschaft auf eine politisch korrekte Tonlage.
Ganz anders sieht es in den privaten E-Mail-Briefkästen aus. Statt Pathos haben hier anonyme Ironie und Sarkasmus ihren Platz gefunden – und ihr Ziel. Seit Wochen kursieren im Netz Fotomontagen, die ihre Kritik am amerikanisch-britischen Krieg an der Person George W. Bushs festmachen. Das diffuse deutsche Unbehagen in der amerikanischen Weltverbesserungskultur hat in ihm ein leichtes Ziel gefunden. Die tolpatschige Marionette Bush wird zum Synonym für das weltpolitische Sendungsbewusstsein Amerikas. Einmal schaut der Chef des Weißen Hauses durch ein Fernglas, dessen Schutzkappen nicht entfernt sind. Ein anderes Mal hält Bush ein Buch verkehrt herum oder verwechselt den Papst mit dem Dalai Lama. Kommentare wie „superlustig“ oder „unbedingt weiterleiten“ begleiten die Kettenmails.
Von dieser charmanten, weil einfachen Wahrnehmung profitiert nun auch der Rowohlt-Verlag. In einer dünnen Broschur versammelten die Reinbeker Büchermacher Bushs platteste Statements. Fazit aus den von dem amerikanischen Journalisten Jacob Weisberg gesammelten Zitaten des US-Präsidenten: Der Mann ist nicht auf der Höhe seiner Aufgaben. Das verkauft sich. Das Buch leistet mit sprachlichen Mitteln das Gleiche wie die auf T-Shirts gedruckten Tauben und Peacezeichen. Eine politisch motivierte Antikriegshaltung wird in eine Geschmacksfrage umgedeutet und damit konsensfähig. Damit das auch jeder versteht, bewirbt Rowohlt das billige Bändchen mit den Worten: „Damit es nicht zu teuer wird, einen besonderen Geschmack zu haben.“