Frieden in Afghanistan: Trickreiches Tauziehen um die Taliban
Soll Katar oder Saudi-Arabien mit den Gotteskriegern Gespräche vermitteln? Hinter dem Streit verbirgt sich ein Machtkampf darüber, wer die Zukunft des Landes bestimmt.
BERLIN taz | Als die Taliban Anfang Januar bestätigten, dass sie ein Büro in Katar eröffnen werden, reagierte Afghanistans Präsident Hamid Karsai verschnupft. Nachdem er immer darauf bestanden hatte, dass alle Kontakte zu den bewaffneten Aufständischen mit dem Ziel einer politischen Konfliktbeilegung in seinem Land über ihn laufen müssten, und vor allem die USA immer wieder beteuert hatten, dass es Kontakte nur unter "afghanischer Führung" geben werde, erfuhr er vom Gegenteil wieder einmal aus der Zeitung. Verärgert berief er seinen Botschafter aus dem Golf-Emirat ab.
Am Sonntag ließ Karsai exklusiv bei der BBC durchsickern, dass er eine "andere Anstrengung" unternehmen werde, um mit den Taliban eigenständig ins Gespräch zu kommen, und zwar mit Hilfe Saudi-Arabiens. Dies solle "in den kommenden Wochen" geschehen, "vor der Einrichtung des Taliban-Büros in Katar". Mit anderen Worten: Diese wird sich noch verzögern.
Noch liegt weder eine Stellungnahme der Saudis noch der Taliban vor. Es wäre jedoch ein Überraschung, wenn die Taliban plötzlich von ihrer Position abrücken würden, keine Gespräche mit dem "Marionetten-Regime" in Kabul zu führen. Was Saudi-Arabien betrifft, versucht Karsai offensichtlich, dessen gespanntes Verhältnis mit dem kleineren Nachbarn Katar auszunutzen.
Während Saudi-Arabien unter dem seit 2005 herrschenden König Abdullah zunehmend konservativ und etwas mehr antiwestlich geworden ist, hat sich Katar als relativ liberaler Partner des Westens profiliert, Beteiligung an der Libyen-Intervention eingeschlossen.
Aber auch die US-Amerikaner schlafen nicht. Wie frühere Taliban-Minister, heute Mitglieder von Karsais eigenem Hohen Friedensrat, mitteilten und ein Taliban-Sprecher inzwischen bestätigte, traf eine "Vorabdelegation" der Taliban bereits in Katar ein. Dazu gehört Tayyeb Agha, der frühere Kabinettschef von Taliban-Chef Mullah Mohammed Omar. Er war bereits seit Frühjahr 2010 an einem deutsch-katarischen Vorstoß beteiligt gewesen, der den US-Kanal zu den Taliban erst ermöglicht hatte.
Was passiert mit den Gefangenen?
Es laufen auch schon neue Gespräche über einen Gefangenenaustausch. Diese seien schon "ziemlich fortgeschritten", verlautet aus den gleichen Ex-Taliban-Quellen. Die Taliban verlangen die Freilassung fünf ihrer Führer, die in Guantánamo einsitzen; die USA wollen, dass die Taliban drei ihrer Bürger laufen lassen: einen Soldaten und zwei in Pakistan entführte Entwicklungshelfer. Alle drei sollen im pakistanischen Nord-Wasiristan festgehalten werden, einem Gebiet, dass vom Haqqani-Netzwerk kontrolliert wird, einer oft autonom handelnden Untergruppe der Taliban.
Damit will Washington gleichzeitig herausfinden, ob sich Mullah Omars Einfluss auch auf diese Fraktion erstreckt. Im Gegenzug gibt es Überlegungen, die fünf Taliban-Gefangenen zwar nicht freizulassen, aber nach Katar in den Hausarrest überstellen zu lassen. Die große Frage ist, ob die republikanische Kongressmehrheit in Washington dem zustimmt.
Doch bevor Optimismus aufkommen kann, müssten die afghanisch-katarischen Spannungen und US-pakistanische Probleme ausgeräumt werden; Islamabad hatte dem US-Sonderbeauftragen für Afghanistan und Pakistan, Marc Grossman neulich einen Besuch verwehrt. Washington will von den Taliban eine offizielle Distanzierung von al-Qaida sowie eine Selbstverpflichtung, dass sie das Büro in Katar nicht als "Botschaft", Stützpunkt für die Geldbeschaffung oder "zur Erhöhung ihres politischen Profils" missbrauchten.
Letzteres ist Unsinn, denn selbstverständlich wertet die Büroeröffnung die Taliban zu einer anerkannten politischen Konfliktpartei auf. Nicht umsonst haben sie nach Informationen der taz bei Grossman durchgesetzt, dass am Büro ein Schild mit der Aufschrift "Islamisches Emirat Afghanistan" hängen wird.
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