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■ Der chinesische Staatschef hat in Bonn nichts zu befürchtenFriede, Freude, Wirtschaft

Chinas höchstrangiger Politiker Jiang Zemin wird sich bei seiner Reise durch die Bundesrepublik viel weniger ärgern als Premier Li Peng. Der mußte sich im vergangenen Jahr unangenehme Belehrungen und Erinnerungen an die Niederschlagung der Demokratiebewegung von 1989 gefallen lassen. Jiangs gestern begonnenes Besuchsprogramm hingegen vermeidet heikle Stationen und setzt statt dessen auf die Betonung gemeinsamer wirtschaftlicher Interessen.

Wie sehr der chinesischen Führung gegenwärtig daran gelegen ist, ein diplomatisch ungetrübtes Verhältnis zu Deutschland zu haben, hat sich im Vorfeld des Jiang-Besuchs gezeigt. Da reagierte die Regierung in Peking ungewohnt zurückhaltend, als Außenminister Klaus Kinkel den chinesischen Dissidenten Wang Juntao in Bonn empfing. Selbst als der tibetische Dalai Lama im Juni bei einer Anhörung im Bundestag auftreten durfte, blieben die üblichen scharfen Proteste aus. Das liegt nicht daran, daß die chinesischen Politiker ihren Bonner Kollegen etwa ein Gefühl großer Liebe entgegenbringen. Der Grund ist vielmehr in den Konflikten mit wichtigen Regierungen anderer Weltregionen zu suchen. Dazu zählt der Ärger mit Tokio wegen der wiederaufgenommenen Atomtests ebenso wie der Streit mit Washington über Handelsfragen und die Aufwertung der US-Beziehungen zu Taiwan. Also zeigt sich China gegenüber Deutschland wohlwollend.

Die Diplomaten in der chinesischen Botschaft in Bonn sind in diesen Tagen sehr damit beschäftigt, das Ihre zu einem möglichst harmonischen Besuch des Staatspräsidenten beizutragen. Natürlich sind sie etwas nervös, ganz auszuschließen sind ja die üblichen Kundgebungen für verschwundene Dissidenten und Parolen für Tibet nicht. Und dieses Mal kommt noch ein Problem hinzu, das plötzlich auch in der Kategorie „internationale Konflikte“ aufgetaucht ist und bislang eigentlich nur im privaten Bereich vermutet wurde: die Frauen. Besser gesagt, das Problem, das chinesische Politiker und Diplomaten mit den Frauen haben. Auch in Deutschland. Frauen in Gestalt von Touristinnen oder Journalistinnen ebenso wie Vertreterinnen von Frauenorganisationen, die alle ins chinesische Land kommen wollen. Frauen, die zum Beispiel Außenminister Kinkel auffordern, sich bei Jiang dafür einzusetzen, daß China die Einreise zur Weltfrauenkonferenz im September erleichtert und ohne viel Aufhebens die nötigen Visa erteilt. Wenn Jiang dies zusagt und seine Leute in der Botschaft das Versprechen halten, dann könnte sich die chinesische Regierung ihrerseits mal ein wenig Wohlwollen verschaffen – zumindest von Seiten der Frauen. Jutta Lietsch

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