piwik no script img

■ Olympisches VorspielFressen, Ficken, Saufen

Die Populisten zog es an diesem Wochenende zu den Massen auf den Kurfürstendamm und auf die Straße „Unter den 17 Linden“. Hier wie dort fand ein „Gauklerfest“ statt. Daneben am Ku'damm noch der pompös annoncierte „Boulevard Olympique“ Olala; in Mitte dafür das 100,6-Schloß-Erlebnis von Monsieur Boddin. Seltsamerweise wimmelte es auf der Ost- wie auf der West-Vergnügungsmeile von jungen Spanierinnen. Und sieht man mal ab von irgendwelchen Lichtkanonen, Laser-Werbestrahlen und zweifelhaften Live-Musik-Krächen, dann war das Ganze nicht mehr als ein gutbesuchter Fußgängerzonen-Rummel, wie ihn beispielsweise Bielefeld oder Gießen alle Tage auf die Beine stellen: verbrannte fettige Rostwürste und lauwarmes Bier für die arbeitslosen Prolos und labbriger Schaumwein plus fasrige Hummer für die Hütchenspieler aus Politik und Wirtschaft. Die Olympia-Macher und ihre Crew hatten sich dünne gemacht, dafür zeigten sich etliche enthusiasmierte Sportler auf dem Ku'damm. Und da muß man allerdings sagen: „Keine Macht den Doofen!“ Das heißt: Die drogenverherrlichende Jugend (Stichwort: Love-Parade) kann einfach tausendmal besser feiern als diese selbstquälerischen Kurzbehosten, die auch noch alle Nummern auf dem Rücken trugen. So weit mein Fazit. Im Detail sieht das natürlich alles ganz anders aus: Da trifft man lärmend einen alten Bekannten, hier wackelt man gedankenverloren eine Weile hinter zwei strammen Waden hinterher, dort wird man penetrant von einer Chinesin mit einem Engländer verwechselt – und versteht gar nicht warum, bis man zusammen einen trinkt („Auch so glaue Haale, Hihihi“). Schön sind auch immer wieder die Public Images, wenn sie ganz persönlich gebrochen werden: zum Beispiel durch eine riesige Frau, die neben einem schmächtigen Männchen geht, der ein T-Shirt mit der Aufschrift „Body Guard“ trägt. Oder die vielen Versager, die „I'm the Boss“ auf ihrer Hühnerbrust zu stehen haben. Einen Zigeuner mit Quetschkommode sah ich, der eine Base-Cap von den „Outsiders“ auf dem Kopf hatte. Apropos: Vor dem Interconti begrüßten etwa sechzig Groupies, nicht kreischend, sondern schweigend, dafür aber mit Blitzlichtern, die Mitglieder einer berühmten Pop-Band: Allein daran, wie rum diese jungen Stars die Base-Caps tragen, können ihre Groupies sie schon von weitem erkennen. Für mich sehen sie dagegen alle gleich milchgesichtig und saubergefönt aus. Eher sauer gefoppt blickten dagegen all die Kellner im Europa-Zentner drein, die man gezwungen hatte, kackgelbe T-Shirts mit dem lachenden Olympia-Bärchen drauf zu tragen. So macht man sich NOlympia-Fans! Helmut Höge

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen