Frequenzvergabe durch EU-Kommission: Kampf um das digitale Europa

Das EU-Parlament verhandelt über die zukünftige Frequenzvergabe für Rundfunk und Fernsehsender, doch es gibt in der Kommission keine Mehrheit für die Verbraucherfreundlichkeit.

Grenzenloser Frequenzenhimmel? Von wegen! Bild: dpa

BRÜSSEL taz In Europa tobt ein Kampf um die Rundfunkfrequenzen. Denn durch die 2002 eingeführte digitale Sendetechnik (DVB-T) wurde es möglich, mehrere Programme ohne Qualitätsverlust auf derselben Welle zu senden. Dadurch wurden Plätze frei, die die EU-Kommission am liebsten europaweit durch eine Europäische Netzagentur verwalten lassen würde. Am Dienstag wird das EU-Parlament in erster Lesung über einen entsprechenden Kommissionsvorschlag abstimmen. Dabei wird jedoch, wie es jetzt aussieht, die Vision vom grenzenlosen Frequenzhimmel für Telekommunikation auf den Boden der nüchternen Tatsachen zurückgeholt.

"Von heute an ist der grenzenlose Binnenmarkt für die Telekomunternehmen und Verbraucher in Europa kein bloßer Traum mehr", schwärmte Kommissionspräsident Manuel Barroso noch im November vergangenen Jahres bei der Vorstellung des Kommissionsvorschlags. Neben der Einführung einer Europäischen Regulierungsbehörde sieht dieser vor, dass Verbraucher ihren Telefonanbieter innerhalb eines Tages wechseln können, Preise transparent und vergleichbar sein müssen und Internetprovider in die Pflicht genommen werden, um Spam, Viren und illegale Downloads wirksamer zu bekämpfen. Die frei werdenden Frequenzen, die sogenannte digitale Dividende, will die EU-Kommission nützen, um in strukturschwachen Gebieten die "digitale divide" zu schließen. Damit ist die Kluft gemeint, die in einer Gesellschaft entsteht, wenn ganze Landstriche von moderner Kommunikationstechnik abgekoppelt werden.

Allerdings sind die Fronten verhärtet. "Der Streit um die künftige Nutzung der Frequenzen zwischen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und privaten Anbietern geht so weit, dass sich derzeit kein Kompromiss abzeichnet", stellt die sozialdemokratische EU-Abgeordnete Erika Mann nüchtern fest. Außerdem werde sich der ganze Ärger in ein paar Jahren von selbst erledigt haben, weil durch die neue Technik Frequenzen frei würden, die dann keiner mehr brauche.

Das bestreiten ARD und ZDF. Sie sagen voraus, dass die "digitale Dividende" durch neue technische Möglichkeiten rasch aufgebraucht sein werde. So steige schon jetzt der Bedarf an neuen Übertragungskapazitäten durch drahtlose Funkverbindungen bei Fernsehproduktionen oder Konzertveranstaltungen, die den neuesten Qualitätsanforderungen genügen sollen. Auch Handyfernsehen in bester digitaler Qualität werde künftig immer beliebter werden und drahtlos Übertragungskapazitäten belegen. Außerdem sei noch nicht ausreichend getestet, ob die parallele Datenübertragung von unterschiedlichen Diensten auf einer Frequenz nicht doch zu gegenseitigen Störungen führe.

Im europäischen Parlament scheint eine Mehrheit die Pläne der EU-Kommission drastisch zusammenstreichen zu wollen. Die Netzagentur, die ursprünglich 120 Mitarbeiter haben sollte, wird zu einem kleinen Sekretariat mit weniger als 40 Mitarbeitern und einem Jahresetat von 7 Millionen Euro heruntergestuft. Sie soll vor allem beratend tätig werden. Das letzte Wort behalten wie bisher die nationalen Regulierungsbehörden, in Deutschland die Bundesnetzagentur. Auch die Rolle der Internetprovider als Spam- und Pirateriepolizisten wird deutlich abgemildert. Sie müssen ihre Kunden zwar über die Risiken illegaler Downloads informieren, aber nicht darüber wachen, dass die sich nicht strafbar machen. Im Ministerrat scheint eine Mehrheit der Parlamentslinie folgen zu wollen. Die neuen Richtlinien könnten im Frühjahr 2009 in Kraft treten und eine 2010 in nationales Recht umgesetzt sein.

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