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Fremdschämen für das ZDFLada Gaga

Gegen einen abstrusen, hanebüchenen Plot ist ja nichts einzuwenden. Aber "Mord in Ludwigslust" (20.15 Uhr, ZDF) ist zum Heulen überkonstruiert und vorallem: bierernst.

Warum tun sich gute, gestandene deutsche Schauspieler so was an? Vermutlich, weil sie nicht bezahlt werden wie Johnny Depp. Bild: zdf

Eine Ahnung vermitteln bereits die Imagetrailer, die das ZDF derzeit für seinen "Fernsehfilm der Woche" versendet. Eine Ahnung von den Zumutungen, die gestandene Schauspieler hierzulande und unter den Bedingungen der hiesigen Fernsehfilmproduktion so erfahren. Da müssen also Armin Rohde, Silke Bodenbender oder auch Anja Kling ihre Gesichter groß in die Kamera halten und breit grinsend die besagte Filmreihe über den grünen Klee loben. Wer mit dem Begriff "Fremdschämen" bislang nichts anfangen konnte, muss sich nur eines dieser Filmchen angucken. Die sind so exemplarisch, wie es der heutige "Fernsehfilm der Woche" auch ist.

Es spielen also mit, unter anderem: Anja Kling ("Grüne Hochzeit", "(T)Raumschiff Surprise - Periode 1", "Wir sind das Volk - Liebe kennt keine Grenzen"), Mark Waschke ("Mitte 30", "Buddenbrooks", "Habermann"), Ina Weisse ("Katzenzungen", "Nichts als Gespenster", "Der Architekt"), Clemens Schick ("Peer Gynt", "Casino Royale", "Jedermann"). Gute Schauspieler, die ihr Talent unter Beweis gestellt haben. An ihnen liegt es nicht.

Wie man mit Anja Kling einen schön kurzweiligen und immer ein bisschen augenzwinkernden Krimi machen kann, hat übrigens gerade die an keinen Programmauftrag gebundene private Konkurrenz von Sat.1 mit "Hannah Mangold & Lucy Palm" gezeigt. Der heutige "Fernsehfilm der Woche" bewegt sich stattdessen, um es noch einmal zu sagen, auf dem Niveau der ihn bewerbenden Imagetrailer. Nur ist er etwa hundertmal so lang.

Die Filmhandlung trägt sich in der mecklenburgischen Kleinstadt Ludwigslust zu, die der Volksmund angeblich "Lulu" nennt. In der ersten Szene hat eine schöne Lulu, nomen est omen, ein Abziehbild der Wedekind-"Lulu", ganz wilden Sex. "Bleib doch bei mir, für immer!", sagt der Liebhaber. "Alle, die mich lieben, sterben", sagt Lulu, aber da ist sie selber schon so gut wie tot.

Lulu schlägt in Lulu ein wie eine Bombe

In Rückblenden wird ihre Geschichte erzählt. Lulu ist das Produkt einer Vergewaltigung, ein russischer Soldat war der Täter. Es war die Zeit kurz nach der Wende, als Lulu nach Lulu kam: "Das war alles ziemlich verwirrend. Wie Lulu. Sie kam aus heiterem Himmel. Und schlug ein wie eine Bombe. (…) Sie war der Hauch der Freiheit. Sie war die blühende Landschaft."

Sie chillte mit ihren drei männlichen Kumpels in der Kiesgrube, da flog plötzlich ihr Vater in einem Geländewagen vom Himmel. Bei sich trug er eine Tasche mit ganz viel Geld, die nahm Lulu an sich und tötete den Vater. Da kam der Großvater, ein Marschall der Sowjetunion, erblickte die Lulu und war ihr nicht länger gram. Lulu heiratete schnell einen der Kumpels, der machte mit dem Geld des Marschalls aus Lulu - der Stadt - eine blühende Landschaft. Lulu - die Lolita - war außerdem bisexuell. Am Ende müssen die Polizisten einsehen, dass sie sich besser dafür interessiert hätten als für die blühende Landschaft - die Stadt.

Gegen einen realitätsfernen, abstrusen, hanebüchenen, zusammengeschusterten, überkonstruierten Plot ist ja grundsätzlich gar nichts einzuwenden. Vorausgesetzt, er kommt als lässige Räuberpistole daher. Autor Thomas Kirchner und Regisseur Kai Wessel meinen es mit ihrem "Lulu"-Aufguss-Krimi leider ernst. Todernst. Bierernst.

...Weil sie nicht so verdienen wie Johnny Depp

Stellt sich eine Frage: Warum tun sich gute, gestandene deutsche Schauspieler so was an? Vermutlich, weil sie nicht bezahlt werden wie Johnny Depp.

(Einen wahrhaftigen Moment gibt es in dem Film übrigens doch. Die von Anja Kling gespielte Heldin bringt Lulus Tod mit zwei anderen ungeklärten Mordfällen in Verbindung und stellt fest: "Drei Bundesländer, drei Mordkommissionen. Es ist doch absurd, dass jedes Bundesland vor sich hin werkelt, als wär's 'ne Insel." Wir schließen: Mit Kling beim Verfassungsschutz hätte der Nationalsozialistische Untergrund nicht so lange ungestört morden können.)

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5 Kommentare

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  • AJ
    Andreas J

    Es geht nicht darum, dass Schauspieler millionen verdienen müssen. Es geht darum, dass mehr gute anspruchvolle Filme produziert werden, was Jobs für gute Schauspieler bringt. Schwachköpfe wie Till Schweiger oder Bulli Herwig kassieren millionen an Filmförderung, während gute ambitionierte Projekte leer ausgehen.

  • V
    viewer

    Habe den Film noch nicht gesehen. Aber schon allein, weil der Autor alle ZDF-Montagsfilme in einen Topf wirft ("...muss sich nur eines dieser Filmchen angucken."), diqualifiziert ihn!

  • L
    Lles

    Ich habe bei diesem Kommentar über den "Fernsehfilm der Woche" gelacht. Und da es von zwei LeserInnenKritiken zwei negative gibt, möchte ich dann doch noch meine positive Kritik von mir geben.

    Die negativen LeserInnenkritiken sind hier "bierernst. Toternst", dabei sehe ich im Kommentar einen schönen Zynismus, der auf eine hirnverbrannte Umsetzung eines Drehbuches hinweist.

     

    Der Papstkommentar von Frau Kappert war zwar etwas kurz geraten (bzw. hätte hier und da ausführlicher sein können), aber es gefällt mir, dass dem Mann da nicht too much Aufmerksamkeit g-g-geschenkt wird.

    Der spinnt doch und lügt.

  • VA
    Vergüenza Ajena

    Och, schön, dass bei der taz selbst mal so etwas wie Fremdschämen hochkommt.

    Vielleicht könnt Ihr dann auch mal nachvollziehen, wie es euren Lesern angesichts haarsträubend dümmlicher Beiträge in der taz oft geht.

     

    Ein Beispiel wären Ines Kapperts unvergessene Ausführungen zum Papstbesuch. Selten habe ich mich so geschämt, Teil des taz-Leserkreises zu sein. Und leider ist das nur ein Beispiel unter vielen...

  • O
    Otto

    Wie jeder Verriß in Mainstream-Medien, der mit so viel Schaum vor dem Mund daherkommt, bewirkt der Artikel beim ir das Gegenteil von dem was er beabsichtigt. Der Film scheint definitiv sehenswert zu sein. Mein Interesse ist jedenfalls geweckt.