American Pie: Freischaffender Fan
■ Wie Baseball-Anhänger Michael Volpe einen neuen Lieblingsklub fand
Drove my chevy to the levee
Als die San Francisco Giants seinen Lieblingsspieler nach Baltimore verkauften, wurde Michael Volpe ziemlich sauer. So sauer, daß der 44jährige aus Virginia all die Kappen, Trikots und sonstigen Fanartikel, die sich in 36 Jahren Anhängerdasein angesammelt hatten, nach San Francisco schickte und den Giants mitteilte: „Hiermit erkläre ich die Scheidung ihres Klubs von meinem Baseball-Leben.“ Dann sandte Volpe Briefe an die 27 anderen Baseball- Teams, in denen er sich zum „free-agent fan“ ernannte und seine Dienste als Anhänger anbot.
Antworten kamen reichlich. 23 Major League-Klubs nahmen Kontakt mit ihm auf und deckten ihn mit Fanartikeln ein. Mehrere Teams luden ihn zu einer Privatbesichtigung ihrer Stadien, anschließend dinierte er mit Spielern. Die Baseball- Funktionäre hatten schnell erkannt, welche Möglichkeit zur Imageverbesserung sich ihnen bot: John Maroon, der Sprecher der Orioles, bezeichnete Volpe als „ein Symbol für den normalen Fan“, den man pflegen müsse in diesen Zeiten, in denen die Amerikaner wegen des Baseball-Streiks von 1994 das Vertrauen in die ehemalige national pastime verloren haben. Und der Präsident der Phillies, Bill Giles, wurde noch deutlicher: „Er liefert unserer Industrie eine Gelegenheit, zu zeigen, wie sehr wir uns um die Fans sorgen.“ Also warf ihm der Manager der New York Mets ein paar Bälle zu, und die Florida Marlins quartierten ihn sogar drei Tage lang in einem Luxushotel in Miami ein.
Volpe freute sich zwar über den Zuspruch („jetzt weiß ich endlich, wie sich umworbene Spieler fühlen müssen“), aber verkündete immer wieder, er „sei nicht käuflich“. Brav übergab er sämtliche Geschenke an die Schule seiner beiden Söhne zwecks Versteigerung. Kurz bevor die Saison am 1. April begann, erkor Volpe die Philadelphia Phillies zur neuen Mannschaft seines Herzens. Begründung: Die Spieler der Phillies wären gute Vorbilder für die Jugend und fühlten sich ihren Anhängern verbunden. Daß sie den ersten Free agent-Fan in der Geschichte des Profisports für sich gewinnen konnten, hielt das Team allerdings nicht davon ab, die Saison eher durchwachsen zu beginnen: In den ersten sieben Spielen gab es fünf Niederlagen, die letzte ausgerechnet bei den San Francisco Giants, Michael Volpes geschiedenem Team. Thomas Winkler
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen