■ Freimaurer: Frack und Zylinder
Goethe war einer und Mozart auch. Und es gibt sie auch im 21. Jahrhundert noch: Freimaurer. Allein in Bremen und Bremerhaven gibt es zehn Logen, so heißen im Freimaurer-Deutsch die einzelnen Zusammenschlüsse. Eine davon ist die Herderloge, und die wird in diesen Tagen 100 Jahre alt. Ganz so geheimnisvoll wie ihr Ruf sind die Logenbrüder dann doch nicht. Immerhin waren gestern die Mitglieder der Herderloge bereit, der Öffentlichkeit ihr Allerheiligstes zu offenbaren: den „Tempel“, in dem sie ihre Rituale abgehalten – ein Raum im Logenhaus in der Kurfürstenallee. Unter der Decke wölbt sich eine himmelblaue Kuppel mit goldenen Sternen. Stuhlreihen ziehen sich an den Wänden entlang, und ganz hinten steht ein Pult mit einer Art Thron dahinter. Dort nimmt der „Meister des Stuhls“ – vulgo: der Boss – Platz, der von den anderen Mitgliedern auf jeweils zwei Jahre gewählt wird.
Über die Art der Rituale will der ehemalige Inhaber dieser Position, Helmut Lübben, dann aber nichts sagen. Nur soviel, dass unter der künstlichen Himmelskuppe Gespräche abgehalten werden und Musik gehört wird. „Erkenne dich selbst“, sei eine der Grundmaximen. Es gehe nicht um Belehrung, sondern darum, die Meinung des anderen zu akzeptieren.
Toleranz ist den „Brüdern“ wichtig. Und Tradition. So herrscht strikte Geschlechtertrennung.
Es gibt in Bremen eine Loge nur für Frauen, in den anderen sind sie nicht erwünscht. Warum das so ist? „Das war immer so“, sagt der „Meister des Stuhls“ Harro Behring, mehr fällt ihm dazu nicht ein. „Und das wird auch mit Sicherheit so bleiben“, ergänzt Helmut Lübben, denn man wolle einen „Geschlechterkonflikt vermeiden“.
Es reicht nicht nur, ein Mann zu sein, um in die Loge aufgenommen zu werden. Erwartet wird, dass ein potenzieller Bewerber sich in die Gemeinschaft „einordnet“, meint Chef-Freimaurer Harro Behring. Allzu konkret wird er nicht, wenn es um die Anforderungen an einen Bewerber geht. Die Erwartungen seien „nicht materiell, sondern auch geistig“. Dem Pressesprecher der Herderloge, Hartmut Essmann, gefällt es, dass die Freimaurer keine konfessionelle Organisation sind, sondern „auf humanitärer Basis“ agieren. Das bedeutet nicht nur hochgeistige Gespräche unter blau bemalter Decke, sondern auch soziales Engagement. So spendeten die Herder-Herren für leukämie- und tumorkranke Kinder.
Spätestens bei den Klamotten ist mit der Freiheit Schluss: Zylinder und Smoking oder wenigstens ein dunkler Anzug sind Standard. Anne Reinert
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