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Freiheitsstrafe für Rechtsradikalen

■ Erfurter Gericht verurteilt den Thüringer Neonazi Thomas Dienel wegen Störung des öffentlichen Friedens

Erfurt (dpa) – Der Thüringer Neonazi Thomas Dienel ist gestern vom Landgericht Erfurt wegen Störung des öffentlichen Friedens zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt worden. In die Haftstrafe wurden zwei frühere Verurteilungen einbezogen, die der 35jährige bereits zu zwei Dritteln verbüßt hat. Ob Dienel erneut in Strafhaft kommt, wird nach Angaben der Staatsanwaltschaft geprüft.

Dienel hatte nach Ansicht des Gerichts vor vier Jahren in einem bei „Spiegel-TV“ ausgestrahlten Beitrag mit mehreren Gleichgesinnten den Eindruck erweckt, Anführer einer Wehrsportgruppe zu sein, die Anschläge auf besetzte Häuser und Ausländerunterkünfte verübte. Die Gruppe führte auf einem ehemaligen NVA-Gelände bei Erfurt vor laufender Kamera paramilitärische Übungen vor, ließ Sprengstoff detonieren und schoß auf einen Planwagen. Dienel drohte dabei weitere Straftaten an. Er behauptete, in Thüringen gebe es drei Wehrsportgruppen mit je 15 Mitgliedern.

Zahlreiche Zuschauer waren nach der Ausstrahlung des achtminütigen Beitrags im September 1992 empört und zeigten die Darsteller an. Ein Ermittlungsverfahren wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung ergab jedoch, daß die Gruppe nur vorgetäuscht war. Zugunsten Dienels wertete das Gericht, daß er geständig gewesen sei. Zudem habe das Fernsehteam durch Kommentare und Filmschnitte eine größere Schärfe in den Beitrag gebracht. Strafverschärfend berücksichtigte das Gericht, daß 1992 die Situation in Deutschland wegen mehrerer Anschläge auf Ausländerwohnungen durch Rechtsextremisten angespannt gewesen sei.

Die Strafkammer wertete Dienels Tat als Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten in Tateinheit mit dem Vortäuschen einer Straftat. Es bemaß die Strafe für diese Tat auf ein Jahr. Die Gesamtfreiheitsstrafe verhängte das Gericht, indem es Dienels Vorstrafen einbezog, unter anderem wegen Betrugs, eines Überfalls auf ein Asylbewerberheim und der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Der Staatsanwalt hatte eine Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren beantragt, die Verteidigung eine Geldstrafe. Dienel ist auf Beschluß des Thüringer Oberlandesgerichts im Dezember 1995 auf Bewährung vorzeitig entlassen worden.

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