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Archiv-Artikel

Ortstermin: DIE Verleihung des Musikpreises Hans 2010 Freigetränke vom Tresen

Der Hans ist ein viereckiges Kästchen, in dessen Mitte ein Lautsprecher eingearbeitet ist. Man kann eine Gitarre an den Hans anschließen und könnte ihn damit zum Beispiel gut für einen Auftritt in der Fußgängerzone einsetzen. Das allerdings würde dem Hans nicht gerecht werden. Denn der Hans ist ein Musikpreis, seine Erfinder sind stolz auf ihn und erwarten, dass alle, die den Preis bekommen, auch stolz darauf sein sollen. Zumal „Hans“ als Abkürzung gemeint ist für Hansestadt, Hanseatisch, Hans Albers und natürlich: Hamburg.

Erfunden hat den Hans die Interessengemeinschaft Hamburger Musikwirtschaft und vergeben wird er einmal im Jahr in mehreren Kategorien an Musiker, Produzenten, Medienschaffende und Programmmacher aus Hamburg. Am Dienstag Abend im Hamburger Club Grünspan war einer der Preisträger die Band Tocotronic, deren Sänger Dirk von Lowtzow erst gar nicht erschien und deren Schlagzeuger Arne Zank bei der Dankesrede etwas von „Hans Wurst“ sagte. Ein anderer Preisträger war das Label Audiolith, dessen Gründer Lars Lewerenz eine lange Ansprache zum Thema Selbstausbeutung hielt, ehe er den Preis auf der Bühne mit einer Axt zerstörte.

Der Hans hat es also nicht leicht. Andererseits traf er am Dienstag auch auf Preisträger wie Ina Müller oder Jan Delay, die weit entfernt scheinen von destruktiven Gedanken jeder Art.

Über eine Preisverleihung, bei der sich eine Szene möglichst medienwirksam und frei von Ironie selbst feiert, lässt sich leicht spotten. Das fängt bei der Bestuhlung an: Vor der Bühne stehen weiße, aus Pappe gefaltete Sitzwürfel. Die haben gleichzeitig etwas Feierliches und etwas Alternatives, wirken also wie das Anzugsakko zur Lederhose. Vor allem aber haben sie den Effekt, dass der Raum voll aussieht. Nur darum gehe es, sagt einer, der bei der ersten Hans-Verleihung im Jahr 2009 war und berichtet, dass seinerzeit die Zahl der Gäste zu gering gewesen sei, um den Raum zu füllen.

Davon kann im Jahr 2010 nicht die Rede sein. Rund 500 Gäste zählen die Veranstalter, das Grünspan ist voll. „Wie bei den Brit Awards“ solle es die ganze Zeit über Freigetränke vom Tresen geben, heißt es zu Beginn. Das hat zur Folge, dass das Grundrauschen einer Kneipe die Preisverleihung begleitet.

Moderator Antonio Reyes Loredo, der sich als Moderator der TV-Show „Konspirative Küchenkonzerte“ einen Namen gemacht hat, kommt gegen die Unruhe schlecht an. Er erinnert an den WDR-Moderator Ranga Yogheswar: Sehr deutliche Aussprache und ein Esprit, der eher für Kindern und ältere Damen attraktiv sein dürfte.

Bevor Preisträger Lars Lewerenz seinen Hans mit der Axt spaltete, erzählte er von der Gespaltenheit in ihm: Dass er mit dem Label mache, was er liebe, aber kaum verdienen und sich selbst ausbeuten würde. „Ich finde es paradox, einen Preis dafür zu bekommen, dass man sich selbst kaputt macht“, sagt er und zerstört den Preis mit einer sehr ansteckenden Lust. KLAUS IRLER