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„Freie sind leider frei“

■ Sensenmann Kröning und die Kulturdeputierten: Muß Kultur bezahlt werden und wenn ja, warum? Oder an wen?

Verwirrung macht sich breit in der Bremer Kulturszene: Am Freitag hatte die Kulturdeputation zwar den Kultur-Haushalt für 1994 beschlossen, der aber bleibt nach wie vor finanziell ungesichert und schmückt sich mit vielen Sternchen an den Stellen, wo noch gekürzt werden kann. Wenn gekürzt werden muß. Und jetzt will Finanzsenator Volker Kröning im laufenden Haushaltsjahr '93 auch noch die vergebenen und fest verplanten Trüpel-Millionen im Kultur-Ressort sperren — betroffen davon sind vor allem die alternativen kulturellen Einrichtungen.

500.000 Mark Zuschuß hatte die Kultursenatorin in ihrem Haushalts-Entwurf den freien Theatergruppen zugedacht, nur die Hälfte sollen sie jetzt bekommen. Dem Theater am Goethe- Platz dagegen werden statt 2,6 nur 1,3 Millionen gekürzt. Eine politische Entscheidung für die etablierte und gegen die freie Szene? Manfred Fluß, kulturpolitischer Sprecher der SPD, dazu: „Das Schicksal der Freien ist leider nun mal, daß sie frei sind und nicht staatlich gebunden.“ Diese bleiben deshalb nun langfristig ohne Planungssicherheit, Freiraum-Theater, Schnürschuh- Theater, Junges Theater und Theater aus Bremen haben jedenfalls keine eigenen Haushaltstitel, also auch keine festen Gelder in Aussicht.

„Das kann nicht das letzte Wort gewesen sein“, so Reinhold Schäfer, Sprecher der Sektion Theater im Kulturrat. „Die FDP macht sich zudem noch innerhalb dieses Mini-Vorbehalts- Zuschusses für das Schnürschuh-Theater stark, und schon werden die kleinen Projekte und Spielstätten gegeneinander ausgespielt. Wann beginnt endlich der Einstieg in die Debatte von Theater-Struktur in Bremen? Die jungen Theatergruppen müssen Signale bekommen.“ Ob es genüge, nur die Shakespeare Company und das Packhaustheater finanziell abzusichern, müsse sich erst noch zeigen. Schäfer: „Das ist doch noch keine Unterstützung der freien Szene. Man muß wirklich mal die Verhältnisse sehen! Mit nur etwa drei Millionen Mark insgesamt könnten die freien Theater erstmal einigermaßen gut zu Rande kommen; das Theater am Goetheplatz dagegen bekommt gut 40 Millionen!“

Auch der Schlachthof wird sein Finanz-Gespenst nicht los. Erst hatte sich die Kultur-Deputation in der Diskussion, ob Lagerhaus oder Schlachthof finanziell fest gefördert werden sollen, für letzteren entschieden, jetzt soll dort wieder Geld gekürzt werden. Diesmal, weil dem Finanzsenator Volker Kröning die Kultur nicht willig spart und er also droht, die 3,5 Millionen, die Senatorin Trüpel mit ins Kultur- Ressort genommen hat, wieder abzuziehen. 100.000 Mark hatte der Schlachthof davon für einzelne Projekte in diesem Jahr bewilligt bekommen.

„Die haben natürlich längst begonnen, wir haben Verträge, die wir nicht mehr lösen können, also bestehen wir doch auf der Einhaltung der Zusage von Frau Trüpel.“ Ralf Lorenzen macht keinen Hehl aus seiner Wut. „Das ist doch nervig, daß wir ständig mit einer neuen Situtation konfrontiert werden. Wie sollen wir da noch vernünftig mit umgehen. Auf die bremische Politik ist kein Verlaß!“

Des Finanzsenators Sperr- Drohung zieht noch weitere Kreise: Auch die EDV-Anlage von Volkshochschule und Stadtbibliothek ist Nutznießerin der Trüpel-Millionen. Daran ist jedoch nun nicht mehr zu rütteln, bereits im April war die Umstellung auf EDV in einem Stufenplan über mehrere Jahre abgesegnet worden. „Wir haben also schon mehrere Millionen dafür ausgegeben“, so die stellvertretende Leiterin der Stadtbibliothek, Renate Mallmann. „Seit Ostern arbeiten wir an der elektronischen Erfassung unserer Bestände.“ Im Mai ist außerdem eine europaweite Ausschreibung für ein Vernetzungssystem ausgegeben worden: „Wir müssen da natürlich dranbleiben.“ Silvia Plahl

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