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Archiv-Artikel

Freie Yogalehrer gegen Korsett

Die große Nachfrage hat Bewegung in das Ausbildungssystem gebracht: Bislang ist Yogalehrer kein geschützter Beruf. Qualifizierte Kurse werden bundesweit aber angeboten. Pläne für eine bindende Rechtsverordnung stoßen auf Widerstand

VON TILMAN VON ROHDEN

Yoga erlebt derzeit einen Boom. Mindestens fünf Millionen Menschen sollen sich damit beschäftigen, wie man Körper und Geist ins Gleichgewicht bringt. Weil Yoga auch die Konzentration fördert, bieten manche Unternehmen ihren Mitarbeitern verbilligte oder kostenfreie Kurse an.

Yoga kennt verschiedene Arten. Die meditative Richtung setzt nicht so sehr auf körperliche Aktivitäten, dafür auf geistige und auf Konzentration. Beim Hatha-Yoga und ähnlichen Spielarten erhöhen die Übungen die Gelenkigkeit, was durchaus schweißtreibend sein kann. Mit der körperlichen Aktivität tritt bei vielen Menschen die innere Ruhe ein.

Die Leiter von Yogakursen sollten Lehrer mit einer fundierten Ausbildung sein. Ob das wirklich so ist, muss im Einzelnen festgestellt werden, denn der Beruf des Yogalehrers gehört zu den freien Berufen. Das heißt, dass ein entsprechendes Schild an der Haustür im Prinzip ausreicht – fertig ist der Yogalehrer.

Gab es 1988 laut Christian Fuchs, der mit dem Thema Yoga promoviert hat, mindestens 2.000 Yogalehrerinnen und -lehrer, so sind es heute wohl mehr als 15.000. Sie werden in Schulen ausgebildet. Ein wesentlicher Akteur in der Ausbildung ist der Berufsverband der Yogalehrenden in Deutschland (BDY). Wer an einer der rund 30 dem Verband angeschlossenen Schulen die Ausbildung zum Yogalehrer absolvieren will, muss mindestens 720 Unterrichtsstunden, die sich auf vier Jahre verteilen, durchlaufen. Inhalte der Ausbildung sind Hatha-Yoga, Meditation, medizinische Grundlagen und Psychologie, das Studium der Quellentexte des Yoga sowie Didaktik. Unterrichtspraktika sowie fünf Lehrproben kommen noch dazu. Voraussetzung für die Ausbildung ist auch, dass Interessierte mindestens drei Jahre Yogapraxis vorweisen können.

Da die Ausbildung von Yogalehrern nirgendwo verbindlich für alle geregelt ist, hat sich im Laufe der Jahre eine bunte Szene herausgebildet. Ein wesentlicher Trend kommt aus den USA. Dort können Ausbildungen zum Yogalehrer in sechs Monaten absolviert werden. Diese kurzen Ausbildungen werden immer öfter auch in Deutschland angeboten. Anke Rebetje, BDY-Sprecherin im Vorstand für Öffentlichkeitsarbeit, rät von solchen Angeboten ab, weil zu viele wesentliche Anteile einer fundierten Ausbildung mangels Zeit wegfallen.

Auf der anderen Seite gibt es Tendenzen, die Ausbildung zu professionalisieren und die Standards zu erhöhen. Im gemeinnützigen Berliner Gesundheits- und Ausbildungszentrum „Weg der Mitte“, das auch Ausbildungsschule des BDY ist, müssen die zukünftigen Yogalehrer 260 Unterrichtsstunden mehr absolvieren als nach BDY-Standard. Das sei notwendig, weil die Lehrer eine hohe Verantwortung für die Gesundheit der Kursteilnehmer trügen, sagt Bettina Becher, Mitarbeiterin des Zentrums Weg der Mitte.

Diese Einrichtung bietet auch Weiterbildungskurse an. Yoga sei kein engstirniges, dogmatisches Lehrgebäude, sagt Becher. „Tradition und Respekt vor der Vergangenheit müssen ständig den aktuellen Bedürfnissen angepasst werden. Deshalb ist eine kontinuierliche Weiterbildung wichtig.“ Nach ihren Angaben gibt es mehrere Schulen in Deutschland, die oberhalb des BDY-Standards arbeiten. So bietet der BDY ein solides Grundmaß an Ausbildungsstandard an, wobei den Schulen nach oben keine Grenzen gesetzt werden.

Mittlerweile engagiert sich auch die Industrie- und Handelskammer (IHK) Saarland in der Ausbildung von Yogalehrern. Diese IHK setzt im Mai eine Rechtsverordnung für die Ausbildung von Yogalehrern in Kraft. Gerd Müller, Teamleiter für Weiterbildung in der IHK Saarland, sieht dies als wichtigen Meilenstein. Das Ziel sei es, diese zunächst regional gültige Rechtsverordnung zu einer bundesweit gültigen und verbindlichen Ausbildungsgrundlage auszubauen. Dafür müsste das Wirtschafts- oder Arbeitsministerium des Bundes das Bundesinstitut für Berufsforschung beauftragen, eine Ausbildungsordnung auszuarbeiten.

Diese Kanalisierung eines freien Berufes wird von den Yogalehrenden rundum abgelehnt. Während Müller von „Sektierertum in der Yogaszene“ spricht, setzt diese auf Information und Verantwortung: „Yoga-Interessierte sind bewusste, reflektierte Menschen, die selbstverantwortlich handeln wollen und können“, sagt Becher. Das derzeitige IHK-Zertifikat, das sich ab Mai Zeugnis nennen wird, bietet Yogalehrern keine wesentlichen Vorteile, kostet aber Zeit und Geld: 2.600 Euro plus Mehrwertsteuer für die Prüfung. Eine Ausbildung dort kostet rund 15.000 Euro.