: Freie Sicht auf die Pyramiden
TOURISMUS Das neue Ägypten sucht Anschluss an die alten Touristenzahlen
VON BARBARA GEIER
Bis August will er durchhalten. Wenn dann die Gästezahl nicht endlich steigt und die ägyptischen Behörden bis dahin keine finanziellen Hilfen in Aussicht gestellt haben, sieht Urs Umbricht schwarz für seine Ferienanlage „Jolie Ville“ auf Kings Island, einer Nil-Insel vor Luxor. Geplante und bereits begonnene Investitionen liegen vorerst auf Eis, sagt der Schweizer Generalmanager.
Er hat Pech mit der Eigentümerin der Anlage, einer Investmentgruppe mit mehrheitlich ägyptischem Kapital. Es stammt nicht nur von Ministern der geschassten Regierung, die jetzt teils im Gefängnis sitzen, sondern vor allem von der Hussein-Salem-Gruppe. Salem selbst, ein sehr umtriebiger Geschäftsmann, der seit den umwälzenden Ereignissen spurlos verschwunden ist, war ein enger Vertrauter der Mubarak-Familie und soll im Februar in Dubai aufgegriffen worden sein mit 500 Millionen Dollar Bargeld.
Noch können sie auf Kings Island den 600 Mitarbeitern die Löhne zahlen. Und trotz des Gästeschwunds sei niemand entlassen worden. Das beteuern auch die Manager anderer edler Hotelanlagen wie das Kempinski in Kairo und in Soma Bay am Roten Meer, das historische Mena House Oberoi vor den Pyramiden von Gizeh und das Sofitel Winter Palace in Luxor, auf dessen Terrasse Agatha Christie ihren Kriminalroman „Tod auf dem Nil“ geschrieben haben soll.
„Wir schicken unsere Mitarbeiter im Augenblick auf Schulungen oder in den Urlaub“, sagt Hany Abdelmoneim, Generalmanager von Kempinski am Roten Meer. Man will auch nicht riskieren, dass das gut ausgebildete Personal später die Konkurrenz bedient, wenn die Gäste wieder reichlich kommen.
Drei Millionen Arbeitsstellen hängen im 80-Millionen-Einwohner-Land Ägypten direkt und indirekt vom Tourismus ab. Allein aus Deutschland reisten im zurückliegenden Jahr rund zwei Millionen Urlauber an.
Doch ins „neue Ägypten“, wie sich das Land nach den umwälzenden Aufständen vom Januar und Februar gerne selbst bezeichnet, finden bislang nur wenige. Und das trotz der mittlerweile aufgehobenen Reisewarnungen vieler Regierungen und der wieder aktivierten Billigflugverbindungen – in das „Land, wo alles beginnt“, so die PR-Kampagne in vorrevolutionären Zeiten. Jetzt fragt die neue Touristikwerbung Ägypten: „Sind wir noch auf der Erde?“
Noch wissen es nicht alle. Leere Cafés und verwaiste Strandliegen, festgezurrte Kreuzfahrtschiffe am Ufer des Nil und freie Sicht auf Pyramiden und Gräber im Tal der Könige schlagen der ägyptischen Tourismusbranche schwer auf den Magen. In den Flughäfen am Roten Meer und in Luxor erinnert wenig an die übliche Hektik. Hotels melden 25 bis 35 Prozent der sonst üblichen Belegung. Das Überleben sichern vielerorts nur treue Stammgäste.
Deutsche Reiseveranstalter sehen die Entwicklung optimistischer. Rewe Touristik (ITS, Jahn Reisen und Tjaereborg) glaubt, Ägypten habe etwa 40 Prozent des Sommergeschäfts verloren. Anfang März hätten die Buchungen wieder stark angezogen. In den Osterferien („Urlauber profitieren von günstigen Angeboten“) waren ihre Veranstalter sogar ausgebucht.
Der Ägypten-Spezialist „Stern-Tours“ meldet dagegen nur geringe Nachfrage. Gerade einmal ein Drittel der Vorjahreszahlen sei erreicht worden.
Bei „Studiosus“ kommen, wenngleich auf niedrigem Niveau, neue Buchungen herein, heißt es dort. Ab September werde sich die Nachfrage wohl wieder normalisieren. Auch bei Thomas Cook und Neckermann sollen die Buchungen zunehmen.
„Es hat sich was verändert“, sagt der Vorsitzende der Ägyptischen Tourismusbehörde, Amr al-Ezabi in Kairo: „Die Reiseveranstalter suchen jetzt stärker den Kontakt zur Stimmung im Land.“