: Frauliche Reporterin
■ Neue Radio-Bremen-Serie fertig
Was für ein Fortschritt: Nach der betulichen Klatschtante Thekla Carola Wied, die in der Serie „Auf eigene Gefahr“ in der High Snobiety rumschnüffelte ist dem Fernsehen mit „Die Gerichtsreporterin“ eine angenehm realitätsnahe Serie gelungen. Am 23.8. um 20.15 Uhr startet die Serie im Ersten Programm. Wie im richtigen JournalistInnenleben ernährt sich die junge „Bremer Kurier“-Angestellte nur gelegentlich von Müsli und Yoghurt, viel öfter von Schokolade und Spaghetti. Und wie im richtigen Gerichtsalltag werden auch in der Serie vor allem etwas „kleinere“ Fälle verhandelt: die ausländerfeindlichen Polizisten, der schwarzfahrende Penner oder die versuchte Vergewaltigung einer 17jährigen.
Ganz ausdrücklich haben sich die drei koproduzierenden Sender Radio Bremen, Saarländischer Rundfunk und Norddeutscher Rundfunk um Authentizität bemüht: Autor der 13 Folgen ist der ehemalige Berufseinbrecher Peter Zingler, der selbst schon 50 mal vor Gericht stand. Und sowohl Filmrechtsanwalt Dachs (Siemen Rühaak) als auch Reporterin Claudia Bender (Gerit Kling) haben sich diverse Prozesse angeschaut. Schauplatz sind im Film echte Gerichtssäle in Hamburg, Bremen und Saarbrücken, aber auch Studios. Ein bißchen schummelt die Serie allerdings: GerichtsreporterInnen recherchieren selten selbst so viel hinter Angeklagten her wie diese Claudia Bender. Sonst würden sie gar schnell vom Verfahren ausgeschlossen.
So interessant die Anlage der Serie (Reporterin als Ombudsfrau der Entrechteten), so knöchern und überladen der erste Teil: Um in 50 Minuten nicht nur zwei Fälle abzuhandeln, sondern auch die Reporterin als emanzipiert und engagiert zu zeigen, muß sich die Reporterin mal eben gegen Redaktionsvolontär und Verleger durchsetzen, ihre Vaterproblematik erläutern, sich vom Freund trennen und dabei Sätze sagen wie „Ich will nicht in den Goldkäfig“.
In der zweiten Folge nimmt die ewig mit fliegendem Staubmantel daherdüsende Reporterin wesentlich weniger Raum ein – die Spannung nimmt zu: Schauspielerin Nina Hoger tut viel weniger und rührt viel mehr an als die scheinbar von den Schicksalen so betroffene Reporterin. Aber daß die junge Reporterin frisch und fröhlich umherdüst, war beabsichtigt: Regisseur Harmut Griesmayr wollte eben keine Reporterin haben analog der Tatortkomissarin Ulrike Folkerts: intelligent, schillernd, elegant, burschikos. Nein, so Griesmayr: „Ich wollte ein fraulich wirkendes Mädchen haben, zumal die Gerichtsreporterin durch all die Dinge, die sie machen muß, eher burschikos und männlich angelegt ist.“ cis
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