Frauenquote für Unternehmensvorstände: Peinlicher Mangel an Managerinnen
Norwegens Wirtschaftsminister erklärt deutschen Parlamentariern, wieso es sinnvoll ist, per Gesetz festzulegen, dass Frauen einen Anteil an Unternehmensvorständen stellen sollen.
BERLIN taz Es gibt ein neues Argument für die Geschlechterquote und das heißt "Peinlichkeit". Diesen Grund führte am Mittwoch der ehemalige Wirtschaftsminister Norwegens, Ansgar Gabrielsen, ein. Der Rechtsausschuß des Bundestages hatte am Mittwoch Abend Experten zu einer möglichen Quotierung der deutschen Aufsichtsräte nach norwegischem Vorbild befragt. Norwegen hat im Januar 2008 eine 40-Prozent-Quote für Aufsichtsräte von Aktiengesellschaften eingeführt. Ihm sei es schlicht peinlich gewesen, dass sich die gut qualifizierte Hälfte der Bevölkerung Norwegens nicht in den Führungsetagen der Unternehmen wiederfinde, so Gabrielsen vor den Experten.
Das klang den deutschen Ohren doch sehr unvertraut. Denn hierzulande, das machten die Vertreterinnen der Wirtschaft schnell klar, sei es ja eher den Frauen peinlich, möglicherweise als Quotenfrau dazustehen, mit dem Ruch mangelder Qualifikation oder Durchsetzungsfähigkeit behaftet. Das sei typisch für das deutsche Denken, analysierte daraufhin Soziologin Annette von Alemann von der Uni Bielefeld: "In Deutschland rechnet man sich Erfolge und Misserfolge individuell zu. Dass es auch strukturelle Barrieren gibt, wird eher verleugnet." Den Norwegern dagegen sei eher bewußt - und dann eben auch peinlich -, dass es offenbar so diskriminierende Strukturen gibt, dass Frauen nicht nach oben kommen. So verschieden können politische Kulturen sein.
Doch Peinlichkeit war natürlich nicht das Hauptargument des konservativen Wirtschaftsministers: "Es ging mir um Wertschöpfung", erklärte er den Abgeordneten. Es habe der internationalen Literatur entnommen, dass Unternehmen mit gemischter Führung mehr Gewinn machen.
Die Grünen wollen diesen konservativen Coup gerne kopieren. Sie haben einen Bundestagsantrag formuliert, der eine 40-Prozent-Quote für Aufsichtsräte ab dem Jahr 2012 vorsehen. Gesellschaften, die die Quote nicht erfüllen, sollen die Börsenzulassung verlieren. In Norwegen droht solchen Gesellschaften sogar die Auflösung. Dem Argument, es gebe zu wenig Frauen, soll mit einem Verzeichnis geeigneter Kandidatinnen begegnet werden. Die Grünen wie auch einige Expertinnen sehen diese Quote als geeignete Reaktion darauf, dass eine freiwillige Vereinbarung der Regierung mit den Wirtschaftsverbänden aus dem Jahr 2001 wenig Erfolge zeitigte. Schon die Vereinbarung sah "gesetzliche Regelungen" für den Fall ihrer Folgenlosigkeit vor. Von einer starren Quote allerdings war damals nicht die Rede, es ging um Ziele, die Unternehmen sich selbst setzen sollen - ein "Soft law".
Rainald Thannisch vom Deutschen Gewerkschaftsbund konnte sich mit einer Quote arrangieren. Schließlich habe man mit quotierten Betriebsräten auch schon gute Erfahrungen gemacht. Nur brauche so ein Prozess erheblich mehr Zeit, als die Grünen ihm geben wollten. Und 40 Prozent waren ihm schlicht zu viel. Das Hauptargument der IHK-Vertreterin Anne Zimmermann wie auch von Beate Degen von den Wirtschaftsjunioren Deutschland: Wenn man nicht genügend gute Frauen fände, schadeten die mangelhaft qualifizierten Frauen in den Aufsichtsräten sowohl dem Image der Frauen als auch dem Wirtachaftsstandort Deutschland. Wie sie sprach sich auch Patricia Solaro von der Bayer AG dafür aus, den Führungsnachwuchs lieber individuell zu fördern.
Auch Rechtsexpertin Christine Windbichler von der Humboldt-Uni wollte lieber bei den "soft laws" bleiben. Frauenförderung solle in den Corporate Governance-Kodex aufgenommen werden, lautete ihr Vorschlag. Mit dieser Idee war aber seinerzeit schon der Juristinnenbund auf Granit gestoßen. Die Kommission für den Kodex besteht übrigens ausschließlich aus Männern. Die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Irmingard Schewe-Gerigk wies die Annahme, man fände keine qualifizierten Frauen, zurück. Die Grünen hätten bereits angefangen, eine entsprechende Datenbank aufzubauen. Dass der Quotenvorschlag nur verhalten aufgenommen wurde, ficht Schewe-Gerigk nicht an: "Mir geht es vor allem erst einmal um eine Debatte. Es war klar, dass wir dicke Bretter bohren müssen".
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