Frauenfußball: "Das Optimum erreicht"
Hannelore Ratzeburg, beim DFB für Frauenfußball zuständig, ist Managerin einer Erfolgsgeschichte. Vor der WM in China erinnert sie sich an ihre Anfänge in der Männerdomäne
taz: Frau Ratzeburg, bis 1970 war Frauenfußball vom Deutschen Fußballverband (DFB) verboten, mit der Aufhebung des Verbots durften endlich auch Frauen kicken. Wie war das damals?
HANNELORE RATZEBURG, 55, war selbst Fußballerin. Seit 1974 setzt sie sich als Funktionärin für den Frauenfußball ein. Die Sozialpädagogin leitet den Frauenfußball-Ausschuss im DFB und gehört dessen Vorstand an.
Hannelore Ratzeburg: Es war alles im Aufbruch, die Studentenunruhen haben dazu geführt, vieles zu hinterfragen, ob es tatsächlich so sein muss: Mama, Papa, zwei Kinder - oder ob es auch andere Lebensmodelle gibt. In diese Zeit passte es hinein, dass Frauen plötzlich anfingen, Fußball zu spielen.
Ein Akt der Rebellion?
Na ja, es hat uns auch einfach Spaß gemacht. Aber es war natürlich ein Bruch mit den traditionellen Rollen. Fußball war ja für Frauen etwas Besonderes, es war eine Domäne der Männer. Und für viele Männer war es ein großes Problem, dass Frauen auf einmal Fußball spielten. Die meisten Männer fanden uns nett, wenn wir am Spielfeldrand standen und wenn wir ihre Trikots wuschen, aber dass wir selber spielen wollten, das konnten sie nicht verstehen.
Wie äußerte sich diese Missgunst der Männer?
Wir wurden teilweise beschimpft und oft verhöhnt. Immer kam das Stichwort "Trikottausch". Alle Männer haben gedacht, wir würden nix drunter tragen und sie würden jetzt mal einen blanken Busen sehen. Und Frauen, die Fußball gespielt haben, galten als Mannweiber. Verbreitet war auch die Haltung: "Na ja, die beruhigen sich schon wieder, nach zwei Jahren ist es vorbei mit dieser Emanzipation."
Doch es war nicht vorbei, es fing gerade erst an.
Ja, es hat sich in den 70er-Jahren national wie international einiges getan. Es gab die ersten offiziellen Spiele, und das, obwohl plötzlich einige Mediziner ein Bedenkenkarussell in Gang gesetzt hatten. Fußball, das sei viel zu hart für die armen Frauen. Deshalb durften wir zu Beginn nur 2 x 30 Minuten und mit einem kleineren Ball spielen. Außerdem sollten wir nur bei schönem Wetter antreten.
Sie wurden dann Frauenfußballbeauftragte des DFB, was sicher nicht einfach war?
Da kam eine junge Frau an, und die Herren im DFB dachten: "Was machen wir jetzt mit der? Die will ja auch noch was." Es gab keinen Vereinspokal, keine Talentförderung, keine Bundesliga. Ich war hoch motiviert, aber allein unter Männern, das war manchmal sehr mühsam.
Der erste Höhepunkt im deutschen Frauenfußball war der Gewinn der Europameisterschaft im eigenen Land 1989.
Ja, das war ein Türöffner. Es gab auch zum ersten Mal eine TV-Live-Übertragung eines Frauen-Länderspiels. Es ist alles sensationell gelaufen, und wir füllten ein paar Tage die Presse.
Trotz der Erfolge ist der Frauenfußball immer noch nicht wirklich akzeptiert im Vergleich zum Männerfußball?
Doch, ich glaube, wir haben das Optimum erreicht. Ich glaube, dass man die Kritiker nie zufrieden stellen kann. Ich glaube, dass die Frauen sehr gut das Fußballspielen interpretieren, so wie es Frauen nun mal können. Und wer das nicht ansehen möchte, wird ja nicht gezwungen.
Sie setzen sich seit Jahrzehnten für den Frauen- und Mädchenfußball ein. Was gibt es da noch zu tun?
Wir gehen davon aus, dass weltweit 30 Millionen Frauen organisiert Fußball spielen. Frauenfußball boomt, durch die Erfolge der Nationalmannschaft vor allem in Deutschland. Doch der Mädchenbereich ist noch nicht ausgeschöpft. Von zehn Mädchen würden sechs gerne Fußball spielen, faktisch tun es aber erst zwei. Besonders in ländlichen Gebieten gibt es noch große Schwierigkeiten, Angebote für Mädchen zu schaffen.
Mädchen können doch mit Jungs zusammen spielen?
Ja, bis 16 Jahre können sie mit Jungs zusammen spielen - und die größten Talente im Frauenfußball kommen aus gemischten Mannschaften, dort geht es einfach härter zu. Aber es gibt eben auch Mädchen, die sehr gerne Fußball spielen, aber eben lieber nur mit Mädchen zusammen. Wenn es dieses Angebot nicht gibt, besteht die Gefahr, dass sie abspringen.
In den USA oder Skandinavien hat der Frauenfußball eine ganz andere Bedeutung.
Ja, Frauenfußball hatte es in den Ländern besonders schwer, in denen der Männerfußball von großer Bedeutung war, in Deutschland, Italien, England, Frankreich. Unser Vorbild war immer Skandinavien, dort gab es schon in den 60er-Jahren Frauenfußball, weil der Männerfußball nicht so eine entscheidende Rolle spielt und der Frauenfußball nicht als Störfaktor betrachtet wurde. In anderen Ländern mussten die Frauen lange kämpfen, um ein Bein auf die Erde zu bekommen. Auch heute gibt es noch einiges zu tun, aber wir wollen die Mädchen und Frauen auch nicht überrumpeln.
INTERVIEW JUTTA HEESS
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