Frauenfußball: Turbine will wieder aufdrehen
Turbine Potsdam möchte mit einem stark verjüngten Team an alte Glanzzeiten anknüpfen. Die Fußballerinnen streben in dieser Saison Platz zwei der Bundesliga an. Das magere 1:1 gegen Freiburg zeigt, welchen Weg die Mannschaft noch vor sich hat.
Mit einem Punktverlust hatte in Babelsberg niemand gerechnet. Zu groß ist in der Frauen-Fußballbundesliga das Gefälle zwischen den Spitzenclubs und den Abstiegskandidaten. Nach dem Schlusspfiff stand es zwischen dem Dritten und dem Letzten der Tabelle, Turbine Potsdam und dem SC Freiburg, jedoch nur 1:1. Turbine-Trainer Bernd Schröder spöttelte: "Vielleicht lag es an der Agenda 2010, an der Globalisierung oder an der Bodenreform." Was er eigentlich sagen wollte: Die schwache Leistung war für ihn nicht erklärbar.
Der etwas glücklich erstocherte Treffer von Isabel Kerschowski zum 1:0 in der 38. Minute bestätigte vorerst alle in ihrem Glauben, dass nur die Heimelf hier der Gewinner sein konnte. Bis dahin hatten allerdings die Gäste aus dem Breisgau überraschend die besseren Chancen und demonstrierten auch in der Folgezeit, dass die Liga an diesem Tag außergewöhnlich eng zusammengerückt war. Mitte der zweiten Halbzeit gelang ihnen der verdiente Ausgleich.
Bei Turbine sah man deutlich, dass die Mannschaft den großen Umbruch noch nicht bewältigt hat. Von dem glorreichen Team, das zwischen 2003 und 2006 so viele Meisterschaften und Pokale gewann wie niemand sonst in Europa, sind nur zwei Stammspielerinnen verblieben: Anja Mittag und Jennifer Zietz.
Die meisten Kickerinnen, die am Sonntag gegen Freiburg auf dem Platz standen, stammen aus den eigenen Jugendteams. "Wir stellen knapp 70 Prozent der deutschen U-20 Auswahl", sagt Schröder. Die Juniorennationalspielerinnen bilden auch das Kerngerüst des neu zusammengestellten Potsdamer Kaders.
In der Vorsaison dauerte es sechs Monate, bis aus den talentierten, aber unerfahrenen Nachwuchsfußballerinnen ein passables Team zusammenwuchs. Am Ende erreichte man immerhin den dritten Platz. "Wir haben nur auf Ergebnis gespielt, schön war das nicht", weiß Schröder. Im zweiten Schritt möchte er nun wieder zur attraktiven Spielkultur früherer Tage zurückfinden; kommende Saison bereits will man der konkurrenzlosen Führungskraft im Frauenfußball, dem 1. FFC Frankfurt, wieder die Stirn im Titelkampf bieten.
Von spielerischer Kultur war in der Partie gegen Freiburg aber nichts zu sehen. Schröder klagte: "Wir haben zuletzt so sehr daran gearbeitet. Das war alles wie weggeblasen." Die Unzufriedenheit speist sich aus der hohen Erwartungshaltung. Die Ansprüche sind mit den Titelfeiern gewachsen. Im Umfeld des Clubs wurden die Triumphe über die wesentlich kapitalstärkeren Frankfurter auch als Klassenkampfsiege gefeiert; nun hofft man, dass Geschichte sich wiederholt.
Dabei setzt der Club auf die deutschlandweit beste Nachwuchsförderung. Das Potsdamer Friedrich-Ludwig-Jahn-Internat wurde wegen seiner Zusammenarbeit mit Turbine vom DFB vor allen anderen als Eliteschule des Frauenfußballs geadelt. Die Konzentration auf die fußballerische Ausbildung zieht auch diejenigen an, die das Fördersystem gar nicht durchlaufen haben. Jüngstes Beispiel: Jessica Wich. Die 17-Jährige kam vor der Saison aus Regensburg und ist neben Anja Mittag die beste Torschützin im Team. Für Schröder ist sie die Überraschung dieser Spielzeit.
Momentan stehen die Potsdamer auf dem dritten Rang. Doch Schröder hat forsch den zweiten Platz zum Saisonende eingefordert. Den Verlust der Torfrau und Weltmeisterschaftsheldin Nadine Angerer hält er für gar nicht so beträchtlich. Diese hätte nach der langen Zeit in Potsdam und ihren Erfolgen sowieso Motivationsprobleme bekommen.
Schröder neigt nicht zu Sentimentalitäten. Er pflegt einen autoritären Stil, der einigen aus der letzten erfolgreichen Generation nicht gefallen hat. Deren Abgänge hat in Potsdam für eine gewisse Unruhe gesorgt, aber das ficht Schröder nicht an. Seine Devise lautet: Wer weg will, soll gehen.
In seinem jetzigen Kükenteam herrscht wieder Ruhe. Es fehlt aber an Stabilität. Und die Ruhe hat nicht nur Gutes für sich. Am Sonntag hat Schröder nämlich festgestellt: "Wir brauchen nächste Saison eine Spielerin, die sagt, wo es langgeht. Es fehlt an einer Hierarchie."
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