: Frauen wollen keinen Steuernachlass
Politikerinnen lehnen mehrheitlich den Vorschlag ab, der Gleichberechtigung mit Hilfe des Finanzamts nachzuhelfen
„Wenn Sie wollen, dass mehr Frauen arbeiten, dann zwingen Sie die Unternehmen, Männern ein höheres Gehalt zu zahlen.“ Das ist Gleichberechtigung nach Art der Ökonomen Alberto Alesina aus Harvard und Andrea Ichino aus Bologna. Die Wettbewerbsnachteile von Frauen am Arbeitsmarkt wollen sie nicht bekämpfen, indem die Politik etwa mit mehr Kitas Chancengleichheit schafft, sondern durch positive Diskriminierung.
Der Ansatz: Wenn die Frauen weniger Steuern zahlen, wird die Berufstätigkeit für sie attraktiver und ihre Arbeit für Unternehmen zugleich billiger. Dann könnten Frauen mehr zum Familieneinkommen beitragen, und Männer müssten sich im Gegenzug mehr in der Haus- und Kinderarbeit engagieren. Mit dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes ließe sich das Modell sogar vereinbaren, meint Verfassungsrechtler Christian Pestalozza aus Berlin: „Artikel 3 des Grundgesetzes bedeutet, dass Gleiches gleich und Ungleiches ungleich behandelt wird.“ Seien Frauen benachteiligt, dürften sie solange bevorzugt werden, bis die Benachteiligung ausgeglichen ist. OES
BERLIN taz ■ Die eine lacht, die andere stöhnt: Frauenpolitikerinnen halten von dem Vorschlag, dass Frauen weniger Steuern zahlen sollen als Männer, gar nichts. „Purer Populismus“, lautet das Urteil von SPD-Frauenpolitikerin Christel Humme, „eine absurde Schnapsidee“, meint die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Irmingard Schewe-Gerigk. Und auch Ina Lenke, Frauenpolitikerin der FDP, lehnt die Idee rundheraus ab.
Am Wochenende hatte die Bild am Sonntag die Steueridee zweier Ökonomen präsentiert, die zuvor im Zeit-Magazin ventiliert worden war. Steuersenkungen nur für Frauen würden die Berufstätigkeit für sie attraktiver machen. Langfristig würde sich deshalb die Arbeitsaufteilung innerhalb der Familie verändern, meinten sie (siehe Kasten).
Die BamS hatte mit Antje Hermenau, der Grünen-Fraktionschefin in Sachsen, eine bekanntere Politikerin gefunden, die dieses Modell unterstützt – anders als ihre Kollegin im Bundestag. „Die Unternehmen würden die Löhne der Frauen noch weiter senken, denn die hätten ja eine Steuervergünstigung“, so Schewe-Gerigks Argument. Auch die SPD-Politikerin Humme meint: „Ich kann keine Lösung gutheißen, die die aktuellen Lohnunterschiede festschreibt.“
Katharina Wrohlich vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung verteidigt das Modell. „Ob die Unternehmen die Steuersenkung in niedrigere Löhne umwälzen würde, weiß man nicht“, gibt sie zu bedenken. Das Modell gehe auch nicht von niedrigeren Löhnen für Frauen aus, sondern davon, dass sie schneller vom Arbeitsmarkt verschwinden, wenn ihre Steuern ihnen zu hoch erscheinen.
Wenn Frauen stärker für das Familieneinkommen verantwortlich wären, würde dieses Tendenz nachlassen, dann könnte man die Steuern wieder gleich verteilen, so die Idee. Ob sie das Modell nun der Politik empfehlen würde? „Wenn man möchte, dass mehr Frauen berufstätig sind, dann kann man in diese Richtung gehen, indem man statt des Ehegattensplittings eine Individualbesteuerung einführt.“ Im Moment werden die weniger verdienenden Frauen mit dem Splitting zum höheren Steuersatz des Mannes veranlagt. „Würde man das ändern, dann hätten die Frauen automatisch niedrigere Steuersätze.“ Das betont auch Schewe-Gerigk: „Im Moment zahlen Frauen in der Lohnsteuerklasse V und durch das Ehegattensplitting oft einen höheren Steuersatz als ihre Ehemänner. Das wichtigste Ziel ist, hier eine Gleichbehandlung herzustellen.“ Das hält auch Ina Lenke von der FDP für den richtigen Ansatz: „Wenn Sie den Rahmen für Frauen verbessern, durch ein gerechteres Steuersystem und bessere Kinderbetreuung, dann brauchen wir so eine Ungleichbehandlung erst gar nicht.“ Insofern habe die Idee etwas Gutes, meint sie: „Dass wir über das Steuerrecht diskutieren, ist längst überfällig.“
HEIDE OESTREICH
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