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Frauen im Hauseingang aufgelauert

■ Prozeß gegen einen 29jährigen Mann, der im Wedding kurz nacheinander zwei Frauen überfiel, um sie zu vergewaltigen

Vor der 11. Strafkammer des Landgerichts begann gestern der Prozeß gegen einen 29jähriger Mann, der am 28. Januar dieses Jahres kurz nacheinander zwei Frauen überfallen hatte, um sie vergewaltigen. Die Anklage lautet auf versuchte und vollendete Vergewaltigung, sexuelle Nötigung und Körperverletzung. Der Angeklagte Chris W. hatte bereits im Juni 1984 versucht, eine Frau zu vergewaltigen, und war deshalb zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Die jüngsten Taten beging er, nachdem er zwei Monate zuvor aus dem Knast entlassen worden war. Vor Gericht gab er die Vorwürfe der Anklage gestern zwar im wesentlichen zu, wollte aber keinen näheren Angaben dazu machen.

Seine Opfer, die 23- und 27jährigen Studentinnen Anna H. und HilgaB. (Namen von der Red. geändert) sind in dem Prozeß Nebenklägerinnen. Anna H., die vergleichsweise glimpflich davon gekommen war, hatte seinerzeit in einer Kneipe gearbeitet. Sie war gerade auf dem Nachhauseweg gewesen und hätte nur noch wenige Meter zurückzulegen gehabt, als sich der Angeklagten gegen 2.20Uhr nachts in der Schwedenstraße im Bezirk Wedding aus einem Hauseingang kommend auf sie gestürzt hatte. „Ich habe sofort gestoppt und überlegt, ob ich weglaufe“, rekapitulierte Anna K. gestern das Geschehen. „Bevor ich mich entscheiden konnte, wurde ich an der Jacke gepackt und von der Mitte des Bürgersteigs in den offenen Hauseingang gezogen“. Sie habe bemerkt, daß in der Kneipe noch Leute waren und laut um Hilfe gerufen, aber niemand sei gekommen. Anna H. war vom dem Angeklagten mit einem Messer bedroht wurde, daß sich im nachhinein als Besteckmesser herausstellte. Sie hatte sich heftig gewehrt, und schließlich war es ihr gelungen zu entkommen. Als körperliche und seelische Folgen der Tat gab sie vor Gericht einen kleinen Schnitt an der Nase an, und das sie sich danach eine ganze Weile kaum getraut habe, das Haus zu verlassen. Seit sie umgezogen sei, gehe es ihr besser, sagte die Zeugin mit Hinweis darauf, daß sie jetzt immer Tränengas und einen Alarmgeber bei sich habe.

Wenige Minuten nachdem ihm Anna K. entkommen war, hatte der Angeklagte die 27jährige Studentin Hilga B. überfallen, die in der Buttmannstraße gerade damit begonnen hatte, Zeitungen auszutragen. Als Zeugin schilderte Hilga B., daß sie plötzlich von hinten auf den Kopf geschlagen wurde. Der Angeklagte schlug ihr auch ins Gesicht, bevor er sich mehrfach an ihr verging. HilgaB. berichtete, daß ein Mann gleich nach dem Überfall zur Haustür reingekommen, aber sofort wieder rausgegangen sei. Sie habe geglaubt, die beiden Männer gehörten zusammen, und habe deshalb nicht um Hilfe gerufen, sagte die Zeugin. Hilga B. wurde von dem Angeklagten daraufhin in den Nachbar-Hauseingang geschleppt. Auch dort kam später ein Mann zur Tür herein, der diesmal jedoch die Treppen hochging und dabei die Bemerkung fallen ließ: „Macht weiter“. Die Studentin war zwar wieder unsicher, ob er nicht dazugehöre, rief ihm dann aber zu, er solle das Licht anmachen. Auf diesem Wege gelang es ihr zu entkommen. Hilga B. war schon vor dieser Tat einmal vergewaltigt worden. Auf die Frage nach den Folgen der jüngsten Tat sagte sie, daß sie sich nach Mitternacht nicht mehr allein auf die Straße traue, es nicht ertragen könne, wenn jemand hinter ihr gehe, und unter Alpträumen leide. Der Prozeß wird Donnerstag fortgesetzt.

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