Französischer Geheimdienst unter Verdacht: Sarkozy, der Medienkontrolleur
In Frankreich sprechen viele Indizien dafür, dass der Präsident den Geheimdienst eingeschaltet hat, um missliebige Journalisten einzuschüchtern.
Drei Einbrüche bei französischen Enthüllungsjournalisten nach demselben Muster sind kein Zufall. Beim Online-Magazin "Mediapart" wurden Computer und CD-ROMs gestohlen, die Dokumente zur Bettencourt-Woerth-Affäre enthielten. Auch zwei Journalisten von Le Monde und Le Point, die ebenfalls wegen politischer Verwicklungen von Mitgliedern und Freunden der Regierungspartei in einen mutmaßlichen politischen Spendenskandal bei der LOréal-Erbin Bettencourt recherchierten, wurden ihre Geräte und Unterlagen geklaut.
In diesem Kontext hat jetzt die Wochenzeitung Le Canard Enchaîné enthüllt, der französische Staatspräsident, Nicolas Sarkozy, kümmere sich persönlich um die Bespitzelung missliebiger Journalisten. Er habe damit den Chef des polizeilichen Nachrichtendiensts DCRI beauftragt.
Für alle, die wissen, wie sehr sich Sarkozy schon als Innenminister und erst recht seit seiner Wahl zum Staatsoberhaupt für Medienkontrolle interessiert, klingt das zumindest plausibel. Häufig greift er selber zum Telefon, um sich bei Chefredaktionen oder befreundeten Eigentümern über Berichte zu beschweren, die ihn verärgert haben. Im Gesetz ließ er verankern, dass er persönlich die wichtigen Personalfragen bei öffentlich-rechtlichen Medien entscheidet.
Dass nun aber zur Bespitzelung der Medien eine Art "Geheimkabinett" existiere, wird sowohl vom Staatspräsidium als auch von DCRI-Chef Bernard Squarcini empört als bösartige Unterstellung dementiert. "Ich bin doch nicht die Gestapo", meinte Squarcini. Auch der Innenminister, Brice Hortefeux, ist kategorisch: "Die DCRI ist nicht die Stasi oder der KGB, ihre Aufgabe ist es nicht, Journalisten zu belästigen."
Es wäre nicht das erste Mal, dass davon die Rede ist, dass der Geheimdienst nach Informationsquellen der Presse sucht. Ein Mitarbeiter der Justizministerin wurde strafversetzt, weil er der Presse Informationen zur L'Oréal-Affäre geliefert hatte. Gefunden hatte ihn der Geheimdienst dank der Auswertung von Angaben des Mobiltelefonanbieters eines überwachten Journalisten.
Auch als verleumderische Gerüchte über eine angebliche Ehekrise im Präsidentenpalast zirkulierten, soll laut einer kürzlich erschienenen Biografie die Präsidentengattin Carla Bruni selber damit geprahlt haben, dass sie über Ermittlungsdokumente der DCRI verfüge.
Der Canard-Chefredakteur bleibt jedenfalls bei seiner Darstellung: "Wir hätten nie einen solchen Titel riskiert, wenn wir nicht etwas in der Hand hätten. Es ist normal, dass Sarkozy wütend ist, nicht aber, deswegen die Spionageabwehr einzusetzen, um herauszufinden, wer hinter den Gerüchten über seine Ehe oder der Woerth-Bettencourt-Affäre steckt."
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