Französische Behörden fürchten Proteste: "Die Deutschen sind härter"
Die geplante Demonstration gegen das AKW Fessenheim soll ins Abseits verlagert werden, denn Frankreich fürchtet die Anti-Atom-Bewegung – besonders die Gruppen aus Deutschland.
PARIS taz | "Lasst uns Fessenheim abschalten" – so lautet die Devise des Aktionswochenendes, das am dritten und vierten Oktober in Colmar stattfindet. Der Protest richtet sich gegen das 32 Jahre alte Atomkraftwerk im Elsass, eines der ältesten Europas, dessen Laufzeit nach einer Inspektion in diesem Herbst möglicherweise um weitere zehn Jahre verlängert wird.
Die seit Monaten geplante Demonstration findet am Samstagnachmittag um 14 Uhr in Colmar statt. Doch im letzten Moment wollen der Polizeipräfekt und der Bürgermeister von Colmar die Demonstrationsroute verlegen. Statt im Stadtzentrum an der Place Rapp, wo üblicherweise Demonstrationen stattfinden, sollen die AKW-GegnerInnen in die Vorstadt abgeschoben werden. "Aus offensichtlichen Sicherheitsgründen", begründet Präfekt Pierre-André Peyvel in seinem Schreiben an die VeranstalterInnen. Die Nähe zu dem "historischen Zentrum" und der erwarteten Menge von "mehreren tausend Demonstranten" lasse "Zwischenfälle" befürchten, schrieb der Präfekt an die Organisation Sortir du Nucléaire.
Doch die atomkritischen Organisationen aus den drei Anrainerländern des Atomkraftwerks Fessenheim, die bereits seit Anfang des Jahres für das Aktionswochenende mobilisieren, lehnen die Verlagerung ab. "Wir halten an unserem Standort fest", antwortet Jean-Marie Brom, ein Sprecher von Sortir du Nucléaire. Begründung: "Die Place Rapp ist der übliche Ausgangspunkt für Demonstrationen in Colmar." In einem offenen Brief an den Präfekten und an Bürgermeister Gilbert Meyer lehnt auch der deutsche Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) die Demonstrationsverlagerung ab. "Auch wenn Sie unsere Ziele und Ideale von einem Europa (…) ohne atomare Bedrohung nicht teilen, sollten Sie doch zumindest das Demonstrationsrecht nicht aushöhlen", empört sich BUND-Geschäftsführer Axel Mayer.
Anders als sonst bei Demonstrationen üblich, schätzen die Polizeibehörden in Colmar die zu erwartenden TeilnehmerInnenzahlen höher ein als die OrganisatorInnen. Während die französischen Anti-AKW-Gruppen von nicht mehr als 10.000 AtomkraftgegnerInnen ausgehen, ist bei der Polizei von einer zwei- bis dreimal so großen Menschenmenge die Rede.
"Die Deutschen sind härter"
Die örtliche Präfektur macht auch geltend, dass "Ausschreitungen von Gruppen, die von anderswo kommen", zu befürchten seien. "Die Deutschen sind härter" erklärte Präfekt Peyvel in einem Interview mit der Zeitung Dernières Nouvelles dAlsace. Nach Angaben von Sortir du Nucléaire ist die Demonstrationsroute mit dem Ausgangspunkt Place Rapp bereits im vergangenen Mai genehmigt worden. Seither haben die Veranstalter Tausende von Flugblätter und Plakaten gedruckt.
Im letzten Moment haben sich die Behörden in Colmar offenbar von der Größe der Anti-Atom-Demonstration, die im September in Berlin stattgefunden hat und an der auch französische AKW-GegnerInnen beteiligt waren, beeindrucken lassen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen