Französisch-britischer Atomdeal: Vier neue AKWs geplant
Der französische Atomriese EDF übernimmt britischen Konkurrenten und kündigt an vier neue AKWs auf der Insel zu bauen. EDF plant weltweiten Ausbau der Atomergie.

PARIS taz Der französische Stromkonzern EDF will nach der Übernahme des größten britischen Atomstromanbieters British Energy vier angeblich besonders sichere Reaktoren in Großbritannien bauen. Ende 2017 solle dort der erste Europäische Druckwasserreaktor (EPR) ans Netz gehen, sagte EDF-Chef Pierre Gadonneix am Mittwoch in Paris. EDF hatte zuvor den Kauf von British Energy für rund 16 Milliarden Euro bekanntgegeben. EDF, das im Hochsommer mit einem ersten Übernahmeanlauf gescheitert war, hatte sein Gebot noch einmal erhöht und sich mit dem Konkurrenten auf die Fusion geeinigt. Die Briten haben 8 der 10 gegenwärtig in Betrieb befindlichen AKWs auf der Insel.
Die staatlich dominierte Électricité de France machte 2007 mit 158.000 Beschäftigten einen Umsatz von 59,6 Milliarden Euro. EdF ist der weltweit größte Produzent von Atomstrom und ist am deutschen Energieversorger EnBW maßgeblich beteiligt. Mit einer Übernahme des Kernkraftbetreibers British Energy (4,4 Milliarden Euro Umsatz) wird EdF auch ein Sechstel des britischen Strombedarfs decken.
Mit dem EPR will Hersteller Aréva Kraftwerke weltweit erneuern. Über die 34-Prozent-Beteiligung von Siemens an Aréva wird auch die deutsche Atomindustrie zu den Profiteuren der atomaren Renaissance in Großbritannien gehören.
Ein Exemplar des EPR, der bislang nirgends auf der Welt im Betrieb ist, wird im Augenblick in Finnland gebaut. Die finnische Baustelle ist schon jetzt ein Milliardengrab. Ein anderer EPR entsteht in Frankreich. Zwei weitere EPRs hat Präsident Nicolas Sarkozy bei seinem letzten Staatsbesuch nach China verkauft.
EDF - in Europa längst der größte Stromerzeuger - befindet sich seit Jahren weltweit auf Expansionskurs. Neben Großbritannien hat der Konzern drei weitere Märkte im Visier: die USA, China und Südafrika. Nachdem ein Einstiegsversuch von EDF in den USA (bei Constellation Energy) in diesem Sommer gescheitert ist, setzen die Franzosen als Nächstes auf den südafrikanischen Markt.
In Frankreich betreibt EDF mit 58 AKWs den dichtesten Atompark der Welt. Auf dem EDF-Standort Tricastin, südlich von Lyon, ist es in diesem Sommer zu einer Serie von Pannen gekommen. Zuletzt verklemmten sich am 9. September zwei Brennstäbe (à 800 Kilogramm) bei der Entladung eines Reaktorkerns in Tricastin. Bis Redaktionschluss war das Problem noch nicht gelöst. EDF hat Roboter aus den USA angefordert, um die Brennstäbe zu entsorgen. Laut dem atomkritischen Netzwerk Sortir du Nucléaire hat die örtliche Feuerwehr Evakuierungspläne für die umgebenden Gemeinden des AKW erstellt, falls sich die Brennelemente unkontrolliert entwickeln. EDF dementiert, dass es Gefahren für die Anwohner gebe.
Die Annäherung an die British Energy sorgt in Paris für unterschiedliche Reaktionen. Die Oppositionspartei PS und die Gewerkschaften kritisieren den Übernahmepreis. Bei einer Abstimmung im Verwaltungsrat von EDF enthielten sich am Dienstagabend Vertreter der Beschäftigten. "Auch wir wollen das Unternehmen ausbauen und den Atomsektor entwickeln", erklärt einer von ihnen, Jacky Chorin, "aber dieser Preis ist viel zu hoch. Und wir befürchten, dass EDF jetzt seine Beschäftigten und seine Kunden zur Kasse bittet, um die Rechnung zu begleichen." (mit dpa)
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen