: Franziska noch in Berlin
■ Entscheidung des Neuköllner Amtsrichters, einer geistig Behinderten das Kind wegzunehmen, stößt im Abgeordnetenhaus auf Kritik aller Parteien
Franziska noch in Berlin
Entscheidung des Neuköllner Amtsrichters, einer geistig
Behinderten das Kind wegzunehmen, stößt im Abgeordnetenhaus auf Kritik aller Parteien
Die Entscheidung eines Neuköllner Amtsrichters, einer 35jährigen geistig behinderten Mutter ihr neugeborenes Kind im Eilverfahren wegzunehmen (die taz berichtete), stößt auch im Abgeordnetenhaus auf Unverständnis. Der behindertenpolitische Sprecher der AL-Fraktion, Michael Eggert, stellte jetzt einen Antrag zur Betreuungsmöglichkeit für geistig behinderte Mütter.
In dem Antrag, der voraussichtlich schon am nächsten Montag im Gesundheitsausschuß beraten und am kommenden Donnerstag im Abgeordnetenhaus beschlossen werden kann, wird der Senat aufgefordert, Versorgungslücken zu schließen und Betreuungsmöglichkeiten sowohl ambulanter als auch stationärer Art zu schaffen und auszubauen. Eggert wurde von den behindertenpolitischen SprecherInnen der übrigen Parteien bedeutet, daß sie seinen Antrag inhaltlich unterstützen und mittragen wollen. Mittlerweile haben sich auch die Jugendsenatorin Cornelia Schmalz-Jacobsen und der Gesundheitssenator Ulf Fink in den „Fall“ eingeschaltet.
Nach Informationen der taz befindet sich die drei Wochen alte Franziska zur Zeit noch in einem Berliner Kinderheim. Der Neuköllner Vormundschaftsrichter hatte vor einer Woche angeordnet, das Baby „unverzüglich“ in eine „Dauerpflegestelle nach Westdeutschland“ zu bringen. Dem Vater des Kindes, der im Gegensatz zur Mutter voll geschäftsfähig ist, wurde die „Personensorge“ für Franziska aberkannt. Daß Franziska noch „hier“ ist, führen Beobachter auf den Wirbel zurück, der um die Aberkennung des Sorgerechts in den letzten Tagen entstanden ist.
Die Chancen der Eltern auf einen Wohnheimplatz in Kiel, wo sie das Kind unter sozialpädagogischer Aufsicht großziehen und gemeinsam leben können, sind unterdessen gestiegen. Nach Auskunft der Rechtsanwältin des Paares stehen entsprechende Verhandlungen kurz „vor einem positiven Ergebnis“. Im Krankenhaus Mariendorfer Weg, wo die Mutter des Kindes noch nachbehandelt wird, bemühen sich die ÄrztInnen und PflegerInnen der Geburtsstation nach wie vor um einen Wohnheimplatz für Mutter und Kind, das die beiden bis zum Wechsel nach Kiel für drei Monate aufnehmen kann. Die Entscheidung darüber fällt am Montag. Für die Überbrückungszeit hatte auch der Berliner Verein „Zukunftssicherung für geistig Behinderte“ seine Unterstützung angeboten.
Auf die Beschwerde der Rechtsanwältin, die Berufung gegen das Urteil eingelegt hatte, steht eine Entscheidung des Landgerichtes noch aus.ccm
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