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Franz LerchenmüllerIch meld michGrinst derCollega vonCorona?

Foto: taz

War’s das also? Erleben wir jetzt, wo der Begriff „Masse“ gute Chancen hat, zum „Wort des Jahres 2020“ gewählt zu werden, auch das Ende des Massentourismus? Bedeutet Corona den Abschied von vollgestopften Fliegern, Hotelburgen und den großen Kreuzfahrern, die plötzlich zu schwimmenden Gefängnissen mutieren können?

Tourismus beruht auf der Idee, dass man am gleichen Ort ist, um sich gemeinsam zu amüsieren – und das risikolos genießen darf. Mit dem Befehl „Abstand halten“ im Hinterkopf funktionieren Erlebnisbad, Rollercoaster und Après-Ski-Schuppen nur noch sehr begrenzt.

Doch was tritt an dessen Stelle? Werden wir ein Volk von Einzelwesen, in dem jede/r getrennte Wege geht? Aber wo spazieren 80 Millionen dann herum, jede/r für sich und das Virus gegen alle? Fluten sie den Oderbruch, das Eichsfeld und die Schwäbische Alb? Heißt das: Aufschwung für Butzbach, keine freien Betten mehr in Wanne-Eickel, Overtourismus in Lindenberg? Werden Zuhausebleiber zu den neuen Trendsettern? Kümmern wir uns plötzlich liebevoll um das Vertraute?

Doch was, wenn wir dort fremdeln? Wie redet man sich, wenn man zuvor Accra, die Malediven und New Orleans kennengelernt hat, Sömmerda, Papenburg oder Sulingen schön? Andererseits: Hat man es nicht zuvor auch geschafft, sich den Ballermann, die Warteschlangen in Disney World und die Einkaufstempel von Abu Dhabi erträglich zu trinken?

Andere Möglichkeit: Wir betrachten Corona als endgültigen Abschied von der analogen Urlaubswelt und nehmen den sterilen elektronischen Ausgang und das Virtuelle als Lösung? Statt zwei Wochen Sansibar vierzehn Tage Ballerspiele? Binge-Watching statt Barcelona! Und am Sonntagabend ersetzt künftig „Damals: Der Reisefilm der Woche“ den „Tatort“.

Oder treten wir nunmehr endgültig die Flucht in den häuslichen Kokon an? Nehmen die stillen Hobbys zu? Werden wir alle ein Volk von Vogelbeobachtern, Kakteenzüchtern und Anglern? Nobody knows. Es ist jetzt die Zeit der Fragen-, nicht der forschen Prognosensteller. Eine einzige aber wage ich doch: Nichts von dem Angedachten ist wahrscheinlich.

Es wird eine Auszeit geben. Zehntausende verlieren ihren Job im Tourismus, andere ihre bewährten Reiseveranstalter, Dritte den Glauben an ihre Aktien. Dann findet man einen Impfstoff. Es folgt: Rückkehr zu business as usual. War da was? Und in irgendeinem Dschungel lehnt sich ein Collega von Corona in seiner Blutbahn zurück und grinst sich heftig eins.

PS: Vielleicht aber betrachten hinterher manche Urlauber das Reisen nicht mehr als Selbstverständlichkeit. Sondern als erstaunliches Geschenk. Wäre doch was.

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