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Frankreichs InnenministerNicht alle Kulturen sind gleichwertig

Für Frankreichs Innenminister sind einige Kulturen gleicher: Mit Äußerungen zum Wert von Kulturen sorgt Claude Guéant für Irritation. Eine"erbärmliche Provokation", findet die Opposition.

Claude Guéant hat merkwürdige Ansichten zum Wert von Kulturen zum Besten gegeben. Bild: dpa

PARIS afp | Frankreichs Innenminister Claude Guéant hat mit Äußerungen zur Gleichwertigkeit von Kulturen für Aufsehen gesorgt. "Entgegen der relativistischen Ideologie der Linken sind für uns nicht alle Kulturen von gleichem Wert", sagte Guéant am Samstag bei einer von rechtsstehenden Studenten organisierten Veranstaltung im französischen Parlament, die hinter verschlossenen Türen stattfand. Zugleich betonte der konservative Politiker die Notwendigkeit, "unsere Kultur zu schützen".

"Diejenigen, die die Menschlichkeit verteidigen, erscheinen uns fortschrittlicher als die, die dies nicht tun", sagte Guéant in seiner Rede, die der Nachrichtenagentur AFP vorlag.

"Diejenigen, die Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit verteidigen, erscheinen uns denjenigen überlegen, die die Tyrannei, die Minderwertigkeit von Frauen, sozialen und ethnischen Hass akzeptieren", fuhr der Innenminister fort, der auch für Einwanderung zuständig ist.

Die Äußerungen Guéants sorgten knapp drei Monate vor der französischen Präsidentschaftswahl für Empörung bei der Opposition. Die Nummer zwei der französischen Sozialisten, Harlem Désir, verurteilte in einer Nachricht über den Kurznachrichtendienst Twitter, die "erbärmliche Provokation eines Ministers, der zu einem Sprachrohr der rechtsextremen Front National reduziert wurde". Die Regierungspartei UMP befinde sich hinsichtlich der Wahl und Moral im "Verfall". Grünen-Chefin Cécile Duflot sprach von einer "Rückkehr zur Zeit vor drei Jahrhunderten".

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25 Kommentare

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  • VL
    Vive la illumination

    @suswe,

     

    nun, die intelligenteren unter den "bösen Emanzen" haben ja auch ein massives Problem mit nichtwestlichen Traditionen der Frauenunterdrückung (Frau Schwarzer z.B.).

    Nebenbei: Sextourismus (männlicher wie weiblicher) gehört nur bestraft, wenn Zwang und Minderjährigkeit im Spiel ist, ansonsten geht es den Staat nichts, aber auch gar nichts an.

  • S
    suswe

    Und es sind doch leider Gewalttaditionen in Europa, deren Ächtung (unter anderem von den bösen Emanzen) mühsam erkämpft werden mussten. Wenn denn doch auch mal Sextouristen aus Europa wirklich bestraft würden ... es ist leider eine Ausnahme.

    Das heißt nicht, dass ich woanders alles toll finde, aber wir haben genug Grund, uns erstmal auch an die eigene Nase zu fassen.

  • R
    Rizo

    @ suswe:

     

    Die von Ihnen genannten Stichworte "Kindesmisshandlung, Frauenhandel und Sextourismus" sind in unserer Kultur bzw. Gesellschaft keineswegs die Regel, sondern die Ausnahme und darüber hinaus gesellschaftlich verachtet bzw. unter Strafe gestellt. Umweltzerstörung ist ein globales Problem jeder Gesellschaft, und auch da gibt es bei uns effektive Gegenbewegungen und Gegenmaßnahmen (siehe z.B.: Wasserqualität des Rheins).

     

    Naja, und was das von mir genannte Stichwort "Genitalverstümmelung" angeht...guckst du hier:

     

    http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Fgm_map_german.gif&filetimestamp=20080610194159

  • VL
    Vive la illumination

    @schonwiedersuswe:

     

    "Mir fällt die Frage ein, ob der Französische Kulturbeurteiler mal einen Blick auf die Gewaltkultur des Westens geworfen hat?

    Mal einige Stichworte: Kindesmisshandlung, Frauenhandel, Sextourismus, Umweltzerstörung usw."

     

    Kindesmisshandlung und Frauenhandel sind innerhalb der bösen westlichen Gewaltkultur strafbar, es gibt relativ strenge Umweltgesetze und Gesetze, die den Missbrauch Minderjähriger auch im Ausland unter Strafe stellt. Das ist in weiten Teilen außerhalb der "westlichen Gewaltkultur" nicht unbedingt eine Selbstverständlichkeit. Vive la Illumination!

  • S
    schonwiedersuswe

    Mir fällt die Frage ein, ob der Französische Kulturbeurteiler mal einen Blick auf die Gewaltkultur des Westens geworfen hat?

    Mal einige Stichworte: Kindesmisshandlung, Frauenhandel, Sextourismus, Umweltzerstörung usw.

  • R
    Rizo

    @ Der Mann hat noch rechter:

     

    Deswegen sind ja gewisse Praktiken, die in anderen Kulturen Gang und Gäbe sind (z.B. Genitalverstümmelung an kleinen Mädchen) bei uns intoleranterweise mit erheblichen Haftstrafen bedroht.

     

    Weil wir alle Nazis sind.

  • DM
    Der Mann hat noch rechter

    Denn natürlich sind nicht alle Kulturen von gleichem Wert. Ich finde zB die französische Rechte und türkische Nationalisten mit ihrem klaren Verständnis, wessen Herkunft überlegen ist, viel besser als die Emanzipationsbewegungen mit ihrer relativistischen Ideologie!

    Ebenso sind westliche Christdemokraten und orientalische Islamisten kulturell natürlich haushoch indianischen, afrikanischen und Aborigines-Kulturen sowie sonstigen Zurückgebliebenen überlegen!

     

    Denn Nationalisten-Heinis verteidigen neben "Menschlichkeit" naturgemäß "Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit" (innerhalb ihrer Ethnie und sozialen Milieu zumindest), während Ausländer und die weltweite Linke schlimmerweise "Tyrannei, die Minderwertigkeit von Frauen, sozialen und ethnischen Hass akzeptieren".

     

    Schön, dass das mal gesagt wurde!

  • D
    Dirk

    Sicherlich hatte der Innenmimnister in allererster Linie den Islam im Blick. Ein Zitat für manche Empörte "Linke" von einem stramm Rechtskonservativen:

     

    „Der Koran und die auf ihm fußende muselmanische Gesetzgebung reduzieren Geographie und Ethnographie der verschiedenen Völker auf die einfache und bequeme Zweiteilung in Gläubige und Ungläubige. Der Ungläubige ist ‚harby’, d. h. der Feind. Der Islam ächtet die Nation der Ungläubigen und schafft einen Zustand permanenter Feindschaft zwischen Muselmanen und Ungläubigen. In diesem Sinne waren die Seeräuberschiffe der Berberstaaten die heilige Flotte des Islam.” (Marx-Engels-Werke, Band 10, S. 170).

  • DM
    Der Mann hat recht

    Das heilige Dogma von der Gleicheit von allem und jedem braucht man für Multikulti. Nur wenn es so ist, kann Multikulti funktionieren. Deshalb der Aufschrei. Warum eine Kultur in der Frauen Dreck oder bestenfalls so etwas wie die Ziegenherde sind und Kopfabhacken normale Gesetzgebung und allgemein anerkannt ist, von uns als genauso gut angesehen werden soll wie unsere Kultur, dazu macht man medial geistige Klimmzüge bis zur Lächerlichkeit. Da erfindet die taz plötzlich gemäsigte Taliban und findet die Sharia eigentlich ganz dufte. Am nächsten Tag geht man gegen Sarrazin vor und wirft ihm Intoleranz vor. Claude Guéant hat eine Selbstverständlichkeit gesagt. Das stört die Multikultiseligkeit und wird medial bestraft. Dabei fliehen Menschen in unser Land nur um danach von altlinken Besserwissern erklärt zu bekommen, daß ihre Schergen bald ihre neuen Nachbarn sind. Bei uns müssen sich nicht Taliban verstecken sondern diejenigen die ihnen widersprechen. Das ist ein Skandal und muß geändert werden. Die Nazi/Rassistenkeule die sofort von den Tätern gezogen wird interessiert inzwischen kaum noch jemanden. Nur organisiert ist man noch nicht genug. NOCH nicht. Wer zu spät kommt den bestraft das Leben. Das wird die taz auch noch merken.

  • P
    Piet

    Merci, Monsieur Guéant! Ich teile Ihre Ansicht.

     

    Bei sowas spuckt erwartungsgemäß natürlich jeder

    kulturmarxistisch konditionierte Multikulti-Traumtänzer Gift und Galle...

  • J
    James

    Und noch weniger sind die Kulturen Wert die Menschlichkeit heucheln...

  • P
    Pink

    Gut, dass diese Partei noch vor den Wahlen ihr wahres Gesicht wieder mal zeigt.

    Da können sich die armenisch-stämmigen Franzosen freuen :-(

  • F
    franz

    und er hat eindeutig recht!!!!!!!!!!!!!!!

  • V
    vic

    Frankreich und Deutschland verbindet doch ne Menge. Jedenfalls was die Ideologie der Innenminister angeht.

  • R
    reblek

    Nur mal so zur Erinnerung: Die "Menschlichkeit" hat Frankreich mutmaßlich in Algerien verteidigt. Und bei der Sprengung eines Greenpeace-Schiffes. Und wer weiß, wo sonst noch überall.

  • U
    Unbequemer

    "Diejenigen, die Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit verteidigen, erscheinen uns denjenigen überlegen, die die Tyrannei, die Minderwertigkeit von Frauen, sozialen und ethnischen Hass akzeptieren", fuhr der Innenminister fort, der auch für Einwanderung zuständig ist."

     

    Endlich mal ein Politiker, der zu den Werten Europas steht. Was sagen denn die für alles Verständnis habenden Taz-LeserInnen dazu? Soll bei uns ein Weltbild, wo Frauen die Hälfte Wert sind, als gleichwertig und gleich wünschenswert für unsere Zukunft hier in Deutschland und Europa gelten? Ganz einfach: Nur JA oder Nein und kein Herumgeschwurbel beim Antworten bitte...

  • K
    Karl-Heinz

    Sowas kann man einfach nicht ernst nehmen! Das ist viel zu lächerlich.

  • D
    Dirk

    "Diejenigen, die Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit verteidigen, erscheinen uns denjenigen überlegen, die die Tyrannei, die Minderwertigkeit von Frauen, sozialen und ethnischen Hass akzeptieren".

     

    Wenn sich die französische so genannte Linke über solche Sätze empört, bestätigt dies nur die traurige Tatsache, dass viele Linke sich von den Idealen der Aufklärung verabschiedet haben. Die Klassiker der linken Bewegungen würde es gruseln.

  • KT
    Klaus Treupheaup
  • M
    Marius

    Zwei Sachen:

     

    Wenn Hass und Tyrannei wirklich zur Kultur gehören, und nicht etwa nur Auswüchse aktueller, erheblich kurzfristigerer politischer Entwicklungen sind, dann hat der Mann Recht. Aber man sollte auch große Mühe darauf verwenden, dies wirklich zu überprüfen.

     

    Zweitens ist es interessant und äußerst aufschlussreich, dass die von Herrn Guéant genannten Werte Freiheit etc. oft gegenüber den sogenannten konservativen Lagern zu verteidigen ist. Hat nicht die aktuelle französische Regierung im letzten Jahr mit zweifelhaften Aktionen gegen Sinti und Roma auf sich aufmerksam gemacht? Da Herr Guéant Innenminister ist, trägt er dafür sicherlich mit Verantwortung, weshalb seine Äußerungen wie Gift sind.

  • U
    uff-tata

    Da beisst sich doch die Katze in den Schwanz:

     

    "Diejenigen [Kulturen], die Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit verteidigen, erscheinen uns denjenigen überlegen, die [...] ethnischen Hass akzeptieren"

     

    Demnach wären ja diejenigen Kulturen "nicht von gleichem Wert", die andere Kulturen als "nicht von gleichem Wert" diffamieren. Und somit die "relativistische Ideologie der Linken" dann doch der hier von Frankreichs Innenminister proklamierten rassistisch-hierarchischen Weltsicht überlegen.

     

    Welch ein Mumpitz und unauflöslicher Widerspruch entsteht, wenn reaktionäre Chauvinisten versuchen, ihre krude Ausländerfeindlichkeit mit emanzipatorischen und aufklärerischen Ideen zu begründen.

     

    Arme dumme Chauvis...

  • N
    nolimit

    Was ist an seiner Aussage falsch?

    Ich finde auch, es gibt gute Kulturen, die anderen überlegen sind und minderwertige Kulturen, die man in ihre Schranken verweisen sollte.

    Als Anhaltspunkt sollte gelten: alles, was gegen die Menschenwürde verstößt und legitimiert, sich an Schwächeren auszutoben, ist eine minderwertige Kultur.

  • C
    Celsus

    Ein wichtiger und interessanter Beitrag. Zeigt es doch, was Konservative in aller Welt so oder sehr ähnlich denken werden. Das schlicht mit den Worten einer Provokation abzutun und es sei nicht so ernst gemeint, scheint mir dem Explosionsmaterial nicht gerecht zu werden.

     

    Diese Einstellung erklärt, wie Venezuela vor Chavez Bitumen zu Spottpreisen abgeluchst werden konnte. Wie ein rohstoffreiches Land arm sein konnte und seine Bevölkerung tendenziell zu den in Europa gehassten Wirtschaftsflüchtlingen werden konnte. Gerechtigkeit schafft da Frieden!

     

    Lateinamerkanische Rhytmen sind für Linke und Kirchenmusik westlicher Prägung dann für die eher Konservativen. Da steckt mehr als nur Geschmack hinter. Das ist zutiefst der Streit von Weltbildern.

  • V
    vorp

    Nicht verwunderlich, nachdem der Begriff "Kultur" ohnehin mehr und mehr auch all die Funktionen übernehmen muss, die früher mit dem Begriff "Rasse" belegt waren... und auch wenn dieser Begriff nicht mehr verwendet wird, die dazugehörige Vorstellungswelt hat sich kaum geändert. Es hat sich lediglich die Aufgabe der Legitimation einem andren Wissenszweig verschrieben, von der Biologie zur Soziologie. Aber da "kulturistische" Erklärungen mittlerweile ja auch in linken Kreisen zum guten Ton gehören, verwundert mich so ein "Ausrutscher" eigentlich gar nicht.

  • S
    suswe

    Der Auftakt der Neuetablierung von offenem Rassismus in der Situation der neuen Verteilungskämpfe am Ende des Kapitalismus oder nur eine Spinnerei eines Einzelnen? Wie hieß eigentlich noch mal der Solarexperte der SPD; der vor einiger Zeit gestorben ist? Der hatte dazu nämlich mal ein interessantes Interwiew gegeben.