Frankreichs Homos wollen Altersheim: Altern unter dem Regenbogen
In den USA gibt es sie, und auch in Deutschland: Alters- und Pflegeheime für Schwule und Lesben. In Frankreich hingegen kämpfen Homos für eigene Heime. Bislang ohne Erfolg.
PARIS afp | Vorreiter waren die Homosexuellen in der US-Metropole San Francisco, die als erste ihr eigenes Altersheim gründeten. Mittlerweise wurden auch in Deutschland erste Initiativen gestartet: In Berlin gibt es im Pflegezentrum des Asta-Nielsen-Hauses eine Etage für Schwule und Lesben. Im kommenden Jahr soll zudem ein "Generationenhaus" für rund 35 Homosexuelle entstehen, mit einer Abteilung für Senioren und Demenzkranke. Finanziell unterstützt wird das 5,5 Millionen Euro teure Vorhaben vom Senat, mit Geldern aus der Lotto-Stiftung. Ein ähnliches Projekt ist in Köln im Bau.
Französische Homosexuelle können da nur neidvoll über den Rhein blicken – denn bisher stießen all ihre Forderungen nach einem eigenen Altersheim auf taube Ohren. Dabei fehlt es auch in Frankreich nicht an Interessenten. Die heutige Generation im Seniorenalter habe als erste ihre Homosexualität im Berufsleben offen ausleben können, sagt Philippe Coupé, Vorsitzender der Pariser Vereinigung "Autre Cercle" (der andere Kreis). "Und diese Homosexuellen wollen ihren Lebensstil nicht ändern, wenn sie aufhören zu arbeiten."
In zehn Jahren werde es in Frankreich rund 20 Millionen Rentner geben, davon zwischen acht und neun Prozent Homosexuelle, rechnet Coupé vor. Das sind nach Schätzung des französischen Verbands für Schwule, Lesben und Transsexuelle (Inter-LGBT) etwa 1,5 bis zwei Millionen potenzielle Anwärter auf einen Platz in einem Altersheim. Doch bisher biete keines der rund 10.000 Altersheime in Frankreich einen eigenen Bereich an, in dem Schwule und Lesben ihre Sexualität offen und ungestört ausleben könnten, sagt Coupé.
"Niemand hat sich in Frankreich bisher mit den Problem alternder Homosexueller befasst", klagt Coupé – anders als etwa die Touristenbranche, die auf ihrer jüngsten Messe in Paris eine eigene Abteilung für Schwule und Lesben eingerichtet habe. Die einschlägigen Vereinigungen hätten überall nach einer geeigneten Einrichtung gesucht, vor allem im Großraum Paris, berichtet er. Doch alle Vorstöße seien erfolglos geblieben. Auf Briefe an die beiden großen französischen Berufsverbände für Leiter von Alters- und Pflegeheimen seien bisher keine Antworten gekommen.
Dabei wollen die französischen Schwulen und Lesben behutsam an ihr Projekt herangehen. Das erste Ziel sei eine "Sensibilisierung" des Personals von Senioreneinrichtungen – damit Homosexuelle zumindest zusammen in einem Zimmer leben dürfen, sagt Coupé. Auch müsse das Personal besser über spezifische Gesundheitsprobleme dieser Personengruppe – etwa HIV-Infektionen – informiert werden.
Die Vorsitzende des französischen Verbandes der Leiter von Altersheimen (FNADEPA), Françoise Toursiere, reagiert skeptisch auf diese Forderungen. Es stelle sich die Frage, ob damit nicht noch "ein zusätzliches Ghetto" geschaffen würde. Beim Konkurrenzverband AD-PA weist Pascal Champvert Kritik der Schwulenverbände zurück: "Wir kämpfen jeden Tag gegen alle Arten von Diskriminierungen alter Leute an, auch gegen Schwulenfeindlichkeit", versichert er. Das Personal der Heime werde regelmäßig auf die Diskriminierungsverbote in den EU-Verträgen hingewiesen.
Für den Geschäftsführer der Berliner Schwulenberatung, die das "Generationenhaus" initiiert hat, reicht dies freilich nicht aus. Zwar versicherten einige Altersheime, Homosexuelle seien bei ihnen willkommen, betont Marcel de Groot. Doch in herkömmlichen Einrichtungen würden sie von den anderen Bewohnern oft schief angesehen und ausgegrenzt. Viele Schwulen und Lesben zögen es daher vor, ihre sexuelle Ausrichtung zu verbergen. "Sie verstecken sich - bis ins hohe Alter."
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