piwik no script img

■ Frankreich streitet auch für Rechte illegaler EinwandererRepublikanische Werte verteidigen

Die Wege des Widerstands in Frankreich sind unberechenbar: 1995 brach er im öffentlichen Dienst aus. 1996 erfaßte er die Lkw-Fahrer. 1997 fachen Filmemacher den Sturm an. Die Ziele, die Aktionsformen und die Akteure der Proteste sind unterschiedlich, aber ihre Wucht ist vergleichbar.

Der Aufruhr der vergangenen zwei Wochen war vor allem politischer Natur. Weit über 100.000 Menschen erklärten ihren persönlichen Widerstand gegen Teile der Ausländergesetze, riefen zum zivilen Ungehorsam auf, gingen auf die Straße und verteidigten ihre Vorstellung von Moral und von der Französischen Republik. Ihre Aktionen enthüllten ein tiefes Mißtrauen gegen sämtliche gewählten Volksver-

treter.

Den Konservativen mißtrauen sie, weil die einen Gesetzentwurf eingebracht haben, dem die gefährliche Gleichung „Immigrant gleich Unsicherheitsfaktor“ zugrunde liegt. Ein Gesetzentwurf, der zudem die citoyens zu Hilfspolizisten degradiert und der der rechtsextremen Front National alle Ehre macht.

Den Sozialisten mißtrauen sie, weil die bei der ersten Lesung des Gesetzentwurfes im Dezember nicht einmal anwesend waren. Weil sie angesichts der Afrikaner, die seit Monaten mit spektakulären Aktionen für Aufenthaltspapiere kämpfen, komplizenhaft geschwiegen haben. Und weil sie schließlich in Vitrolles einen unhaltbaren Bürgermeisterkandidaten ins Rennen geschickt haben, der letztlich der rechtsextremen Front National den Weg ins Rathaus ebnete.

In Sachen Ausländergesetzgebung hat die Debatte keine wesentliche Entschärfung gebracht. Die repressiven Bestimmungen in dem Gesetzentwurf richten sich bloß nicht mehr gegen die – meist französischen – Gastgeber. Statt der Gastgeber sollen nun die ausländischen Besucher selbst ihre Abreise bei den Behörden melden. Statt einer Kartei mit den Daten der Gastgeber wird es eine Kartei von Beherbergten geben. Und statt der Bürgermeister werden künftig die von Paris bestimmten Provinzpräfekten über die Vergabe von Beherbergungszertifikaten entscheiden.

Der Widerstand hat sich trotzdem gelohnt. Er hat sowohl der Regierung als auch der Opposition – deren unterschiedliche Ansätze in der Ausländergesetzgebung kaum noch erkennbar waren – gezeigt, daß es eine Zivilgesellschaft gibt, die ihr Treiben beobachtet. Das ist auch für jene Immigranten und linken Organisationen beruhigend, deren Kampf gegen die repressive Ausländergesetzgebung weitergeht – auch nach dem Rückzug der Filmemacher. Dorothea Hahn

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen